Worte bewegen die Welt
Heimatverbundenheit hin – so verteidigte er die Heimat etwa im »Preislied« gegen die beleidigenden Angriffe in den Scheltstrophen provenzalischer Troubadoure. Ob der Name »von der Vogelweide« auf seine Herkunft hindeutet, ein Beiname oder ein Künstlername ist, bleibt ebenso wie seine Standeszugehörigkeit ungeklärt. Dass Walther von der Vogelweide von Zeitgenossen als »Herr« tituliert wird, ist ebenso wenig ein Zeichen ritterlicher Abkunft wie das Wappen, mit dem er später in der Weingartner Handschrift und im Codex Manesse abgebildet ist. Ob seine Belehnung, die zwischen 1215 und 1220 durch König Friedrich II. vorgenommen wurde, seine Lehensfähigkeit dokumentiert, bleibt fraglich.
Aufgrund seiner theologischen Kenntnisse und seiner Vertrautheit mit der zeitgenössischen politischen Theorie, der Papstkritik, der Sequenz- und Vagantendichtung sowie der Schulrhetorik geht man davon aus, dass Walther von der Vogelweide eine geistliche Ausbildung erhalten hat. Möglicherweise ging er in Klosterneuburg zur Schule, dem Hausstift seines ersten Gönners, des Babenberger Herzogs Friedrich I., der 1198 starb. Seine genauen Kenntnisse der deutschen und französischen Lyrik hingegen muss er an den Höfen erworben haben.
Man nimmt an, dass Walther von der Vogelweide den Wiener Hof spätestens nach dem Tod Friedrichs I. verließ und bis 1201 für den Stauferkönig Philipp von Schwaben dichtete, für den er im staufisch-welfischen Thronfolgestreit Partei ergriff. Danach könnte er an den Hof von Landgraf Hermann von Thüringen, dem größten zeitgenössischen Mäzen, gewechselt haben. Vor der Absetzung Kaiser Ottos IV. im Jahr 1212 scheint Walther von der Vogelweide wiederholt für diesen gedichtet zu haben, danach jedoch stand er dessen Nachfolger König Friedrich II., der 1220 Kaiser geworden war, zu Diensten. Walther von der Vogelweide führte ein Wanderleben. Man geht von mehr oder minder langen und häufigen Aufenthalten an zahlreichen Höfen aus, unter anderen auch an denen Herzog Bernhards II. von Kärnten, Graf Diethers II. von Katzenellenbogen, Dietrichs von Meißen, Hermanns I. von Thüringen, Herzog Ludwigs I. von Bayern, Heinrichs von Mödling, Erzbischof Engelberts von Köln. Den literarischen Zeugnissen nach durchwanderte er die Gebiete zwischen Seine und Mur (Steiermark), Po und Trave, Elbe und Rhein und kam bis an die ungarische Grenze. Aus der Bemerkung, 40 Jahre lang gedichtet zu haben, und der vermuteten Erwähnung des 5. Kreuzzugs 1228/29 ergibt sich eine Lebenszeit Walthers von vermutlich 1170 bis 1230. Sein mutmaßliches Grab befindet sich in Würzburg im Lusamgärtlein beim Stift Neumünster, wofür ein um 1350 entstandenes Hausbuch und ein Manuale sprechen, in denen die Grabinschrift wiedergegeben ist.
ÜBERLIEFERUNG
Von Walther von der Vogelweide sind über 500 Strophen in mehr als 30 Handschriften überliefert, die meisten davon in den drei großen süddeutschen Sammelhandschriften: der so genannten Kleinen Heidelberger Liederhandschrift A, der Weingartner Liederhandschrift B und der Großen Heidelberger (Manessische) Liederhandschrift C. Das zweitgrößte Walther-von-der-Vogelweide-Corpus ist die Würzburger Liederhandschrift E. Die meisten Textzeugen enthalten nur Fragmente. Deshalb sowie aufgrund der Textlücken und der fehlenden Blätter, die viele Handschriften aufweisen, ist man sich sicher, dass Walther von der Vogelweides Werk – das umfangreichste und vielseitigste deutschsprachige Lyrik-Corpus seiner Zeit – nicht vollständig überliefert ist. Die Datierung der Minnelieder ist unmöglich, die der Sangsprüche meist unsicher.
Bis auf eine Ausnahme – drei Strophen aus den »Carmina Burana« – sind die frühesten Textzeugnisse zwei bis drei Generationen nach Walther von der Vogelweide entstanden. Seit ihren Anfängen widmet sich die Walther-von-der-Vogelweide-Forschung der Rekonstruktion des originalen Wortlauts, der verschiedenen Varianten und deren gegenseitigen Abhängigkeiten, die sich in den Handschriften finden, doch kann mit keinen stichhaltigen Ergebnissen gerechnet werden. In Zusammenhang damit ist auch das schwindende Interesse an der Echtheitsfrage vieler Strophen zu sehen, denn die Argumentation, etwas »ist nicht Walthers Art«, kann nur zu subjektiven Ergebnissen führen. Zuschreibungsvarianten oder -unsicherheiten werden jetzt unter alternativen literaturwissenschaftlichen Fragestellungen analysiert und erklärt.
WALTHERS »PREISLIED«
Die Qualität wie auch
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