Worte bewegen die Welt
Bücher von Karl Lachmann stammt. Er ist als Doppelroman konzipiert, insofern die Handlungsträger – die Vertreter des weltlich-höfischen Artusrittertums und die christlich-sakrale (doch ebenfalls höfisch lebende) Gralsgemeinschaft – wechseln und ihre Geschicke ineinander verwoben werden. Den Rahmen bilden die Geschichten von Parzivals Vater Gahmuret und Parzivals Bruder Feirefiz am Anfang beziehungsweise Ende (Bücher I, II, XIV–XVI), die allerdings von der Hauptquelle des Dichters, dem »Perceval« (1181–88; dt.) des Chrétien de Troyes, nicht gedeckt werden. Wolfram weicht von seiner Hauptvorlage auch hinsichtlich der Namengebung und der epischen Gewichtung etlicher Personen ab, ebenso wie hinsichtlich der Gralskonzeption und der Verwandtschaftsbeziehungen – Parzival ist als Einziger mit allen Mitgliedern der Artus- und der Gralsgesellschaft irgendwie verwandt. Die Frage, ob Wolfram noch weitere Quellen benutzte, führte zu keinem befriedigenden Ergebnis.
GOTTFRIED VON STRASSBURGS »TRISTAN UND ISOLDE« UND WOLFRAMS »PARZIVAL«
Gottfried von Straßburgs höfischer Roman »Tristan und Isolde« unterscheidet sich vom »Parzival« seines Dichterfeindes Wolfram von Eschenbach vor allem durch die Erhöhung der Minne zur höchsten, Erfüllung wie Unheil bringenden Macht, die in der Darstellung der Minnegrotte gipfelt: Ebenso wie in Wolframs »Parzival« das Artusrittertum nur eine Station auf dem Weg zur Gralsburg ist, so führt in Gottfried von Straßburgs »Tristan« der Weg des Helden aus der »niederen« Welt des Hofes in die »höhere« Welt der Minne. Während Parzival seinen Ausschluss aus der höfischen Gesellschaft als tiefe Krise erlebt, ist das Leben Tristans und Isoldes in der Isolation das Moment höchsten Glücks. Die Idylle der Minnegrotte ist hier zu einem paradiesischen Fluchtort verklärt.
Die neuere Artusforschung zieht keltische Quellen in Betracht, aus denen Chrétien und/oder Wolfram ihr Wissen über den Gral bezogen haben könnten. Andere halten es für wahrscheinlich, dass Wolfram dieses Wissen aus anderen, unbekannten französischen Quellen geschöpft hat, zumal festzustehen scheint, dass die Gahmuret-Bücher derartige – leider ebenfalls nur mutmaßliche – Vorlagen besitzen. Da sich Wolframs Steingral und zahlreiche Orientmotive in den französischen Texten nicht finden, wurde auch die Bearbeitung orientalischer Überlieferungen erwogen. Die vielen möglichen Anknüpfungspunkte schließen sich aber gegenseitig aus. Sicher ist dagegen, dass Wolfram seine naturwissenschaftlichen und theologischen Spezialkenntnisse der lateinischen Tradition entnahm, ebenso seine Kenntnis der Sagen vom Priesterkönig Johannes (Otto von Freising) und vom Zauberer Vergil, die er auf den Zauberer Klingsor übertrug. Für größte Verunsicherung sorgte Wolfram selbst, weil er im Epilog behauptet, Chrétien habe der Parzivalerzählung »Unrecht getan«. Deshalb habe er das Werk eines Kyot benutzt, der französisch gedichtet habe und des Arabischen und Lateinischen mächtig gewesen sei. Weder Kyot noch sein »Parzival« noch dessen angebliche Übersetzungen ließen sich finden, aber auch eine mögliche Quellenfiktion Wolframs ist nicht überzeugend zu begründen.
Die Bücher III–VI erzählen von der Geburt Parzivals, seiner Jugend fern von der höfischen Gesellschaft, seiner Aufnahme und den Abenteuern am Artushof, wo er sich zu einem vorbildlichen Ritter entwickelt und heiratet. Er versündigt sich jedoch bei dem Gralsaufzug in Munsalvaesche, weil er dem Gralskönig Amfortas nicht die Frage nach seinem Leiden stellt, die diesen erlösen würde und Parzival zum neuen Gralskönig werden ließe. Er wird am Artushof in die Tafelrunde aufgenommen und dabei von der Gralsbotin Kundrie für seine Sünde gegen Amfortas und anderes Fehlverhalten öffentlich verflucht. Parzival ist uneinsichtig, löst sich von Gott und verlässt die Artusritter.
In der zweiten Parzival-Partie (Buch IX) gelangt Parzival nach viereinhalb Jahren vergeblicher Gralssuche zum Einsiedler Trevrizent, dem Bruder seiner verstorbenen Mutter. Dieser führt ihn zu religiösen Einsichten, lässt ihn die Sündhaftigkeit seines bisherigen Lebens erkennen und löst eine religiöse Umkehr aus. Parzival wird über seine mütterliche Verwandtschaft, den Gral und das Leid des Gralskönigs als von Gott verlangtes Sühneleiden aufgeklärt. Die dritte Parzival-Partie schildert, wie der Artusritter Parzival zum Gralskönig wird und Gnade erlangt.
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