Worte bewegen die Welt
späteren Handschrift des Ritterromans »Willehalm«, die im Auftrag des Landgrafen von Hessen 1334 angefertigte wurde.
»NIE HAT EIN LAIE BESSER GEDICHTET«
Bereits zu seinen Lebzeiten wurde Wolfram als einer der besten Dichter gefeiert. Wirnt von Grafenbergs Urteil, »leien munt nie baz gesprach« (»Nie hat ein Laie besser gedichtet«), zeugt ebenso von dieser Hochschätzung wie die ungewöhnlich große Zahl von Willehalm- und vor allem Parzival-Handschriften. Wolframs Vorbild ist in großen zeitgenössischen Werken der Epik (zum Beispiel Heinrich von dem Türlins »Krone«, Wirnt von Grafenbergs »Wigalois«, Strickers »Daniel«) ebenso fassbar wie in der Heldenepik (»Kudrun«), der Legendenepik (Reinbot von Durne), der Kleinepik (»Helmbrecht«), der Geschichtsdichtung (»Landgraf Ludwigs Kreuzfahrt«), der Reimchronistik (Ottokar von Steiermark) oder der religiösen Dichtung (Lamprecht von Regensburg). Ulrich von Türheim und Ulrich von dem Türlin dichteten Wolframs »Willehalm« weiter, Albrecht unter seiner Maske den »Titurel« und auch der »Parzival« fand eine Fortschreibung im 14. Jahrhundert (»Der Nüwe Parzifal«). Schon im 13. Jahrhundert gestaltete man aus Wolfram eine literarische Figur, etwa als Teilnehmer am Sängerwettstreit auf der Wartburg (»Wartburgkrieg«) oder als Kontrahent Klingsors (Zauberer im »Parzival«) im »Rätselspiel«. Von den Meistersingern wurde er zu den »zwölf alten Meistern« gezählt und später im Hinblick auf seine Tagelieder sogar zu den »vier großen Buhlern«.
EINE DICHTERFEHDE
Wolfram von Eschenbach zeigte sich seinerseits sehr vertraut mit der zeitgenössischen Dichtung – auch mit der deutschsprachigen. Neidhart von Reuental, Walther von der Vogelweide, Hartmann von Aue und Heinrich von Veldeke nennt er in seinem Werk und offenbar pflegte er auch Kontakte zu verschiedenen Kollegen. Gegen Hartmann und dessen Bildungsbewusstsein polemisierte Wolfram offen. Auch Nibelungenlied und -klage sowie die Dietrichsage müssen ihm bekannt gewesen sein.
Obwohl Gottfried von Straßburg und Wolfram einander nie namentlich erwähnten, spricht man gerne von einer »Dichterfehde« zwischen den beiden und bezieht Gottfrieds Spott auf einen ungenannten Dichter als »vindaere wilder maere« (Erfinder wilder Geschichten) auf Wolfram, der im Willehalm-Prolog darauf geantwortet habe.
Nachdem im 15. Jahrhundert die Wolfram-Rezeption abgebrochen war, setzte mit Johann Jakob Bodmer und seinem Schüler Christoph Heinrich Müller im 18. Jahrhundert die Wolfram-Philologie ein. 1784 druckte Müller den »Parzival« und Christoph Casparson den »Willehalm«, Bernhard J. Docen gab 1810 die »Titurel«-Fragmente heraus. Die kritische Werkausgabe Karl Lachmanns (1833) gilt als Standardtext. Neun Lieder und drei Epen sind von Wolfram erhalten: Man nimmt für den »Parzival« eine Entstehungszeit zwischen 1200 und 1210 an, wobei dessen 7. Buch nach 1203 angesetzt wird. Die Lieder werden vor und während der Entstehung des »Parzival« datiert. Für den »Willehalm« wird ein Entstehungszeitraum zwischen 1210 und 1220 vermutet. Parallel zu dessen Schluss soll Wolfram die Arbeit am »Titurel« begonnen haben.
LIEDER
Obwohl sich Wolfram als Lyriker früh etabliert haben muss, sind nur neun seiner Lieder überliefert: zwei in einer Münchener Parzivalhandschrift, sieben in drei Sammelhandschriften. Vier davon sind Minnelieder, doch wird an der Echtheit zweier von ihnen gezweifelt; bei den anderen handelt es sich um Tagelieder. Die Minnelieder gelten als konventionell. Mit seinen Tageliedern jedoch schuf Wolfram Vorlagen, die noch im 15. Jahrhundert immer wieder nachgeahmt wurden. Er führte in Deutschland den Typ des »Wächtertageliedes« ein, der eigentlich aus der provenzalischen Troubadourlyrik stammt: Ritter und Geliebte gehören dem höfischen Adel an, lieben sich heimlich in der Kammer der Dame, werden von ihrem Wächter bei Tagesanbruch gemahnt, sich zu trennen, empfinden Schmerz darüber (Trennungsklage), vereinigen sich noch einmal trotz wachsender Entdeckungsgefahr und nehmen Abschied. Eines von den Tageliedern Wolframs ist eine Parodie auf das Tagelied als Gattung: Der Dichter lässt den Wächter abtreten mit der Begründung, dass er nicht gebraucht wird, wenn man die Nacht bei seiner Ehefrau verbringt.
PARZIVAL
Wolframs wirkungsintensivstes Epos wurde sein »Parzival«, ein in über 80 Handschriften überlieferter Artusroman in 25 810 Versen, dessen heutige Einteilung in 16
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