Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Worte bewegen die Welt

Worte bewegen die Welt

Titel: Worte bewegen die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brockhaus
Vom Netzwerk:
der mit einiger Wahrscheinlichkeit gar nicht mehr nach Florenz zurückgekommen war, wegen Betrugs, Erpressung, Nötigung sowie Widerstands gegen den Papst und Karl von Valois an, warf ihm vor, den innerstädtischen Frieden in Florenz gefährdet zu haben. Da er nicht, wie gefordert, zur Verhandlung erschien, erging am 27. Januar ohne legales Verfahren das Urteil: Er habe innerhalb von drei Tagen 5000 kleine Goldgulden Strafe zu bezahlen, werde für zwei Jahre verbannt und lebenslänglich von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Er bezahlte die Strafe nicht; so wurde mit Wirkung vom 10. März 1302 sein Besitz konfisziert und der Feuertod über ihn verhängt.
    Die Stadt Florenz hat sich dem Mann gegenüber, den sie später ihren größten Sohn nennen sollte, in einmaliger Weise kompromittiert. Dante aber traf nun das Leben im Exil mit all seinen unangenehmen Begleiterscheinungen, seien es Unterwerfungsgesten gegenüber den Mächtigen oder auch Ruhelosigkeit und Zukunftsangst.
    DANTES LESEDURST
    Dantes Lesedurst war nahezu unstillbar, er las die Bücher oft mehrmals, so wie den »Trost der Philosophie« von Boethius. Hinzu kamen im Laufe der Jahre Cicero und Ovid, Horaz, Juvenal und Lukan, Augustinus, Isidor von Sevilla und Johannes von Salisbury und andere Autoren, die von Platonismus, Neuplatonismus und Aristotelismus beeinflusst sind. Er studierte philosophische Abhandlungen, in denen sich der hochmittelalterliche Ideenstreit zwischen Idealismus und Realismus widerspiegelt, astronomischkosmologische, rhetorische, dichtungstheoretische und immer wieder philosophische Texte. Dante kannte darüber hinaus neben Werken in den Spielarten seiner Muttersprache bedeutende Beispiele aus den volkssprachlichen Literaturen Nordund Südfrankreichs und machte die Bekanntschaft mit Frühhumanisten seiner Zeit, die ihm zweifellos neue Lektüreanregungen vermittelten.
    IM EXIL
    Zunächst blieb Dante noch mit den anderen exilierten Weißen in Kontakt, man plante die gewaltsame Rückeroberung der Macht gemeinsam mit den »Grünen«, der gemäßigteren Fraktion der Ghibellinen. Aber entsprechende Unternehmungen scheiterten. Dante selbst entwickelte immer mehr eine überparteiliche Perspektive, die auf eine Erneuerung des Kaisertums zielte. Nur von ihm versprach er sich eine Einigung über alle politischen Interessengegensätze hinweg. Sein Blick, befreit von den Begrenzungen des städtischen Lebens in Florenz, wurde gewissermaßen europäischer. Dies schlägt sich auch in seinen Studien nieder, die er nach dem Tod Beatrices zum eigenen Trost wieder aufgenommen hatte und die nun in Aufenthalten in Bologna (zwischen 1304 und 1306) und möglicherweise in Paris (zwischen 1308 und 1310) ihren Höhepunkt fanden. Sein Lesedurst, seine Wissbegier scheinen zeitlebens unstillbar.
    Spuren dieser geistigen Begegnungen finden sich demgemäß auch in den verschiedenen lyrischen Formen, die Dante nach »Das neue Leben« pflegte: Liebesdichtungen, realistisch-komische und moralisch-didaktische Gedichte, vor allem aber Texte, die zunehmend mit dem Verrätselungsverfahren der Allegorie spielen. Sein zwischen 1304 und 1308, vielleicht während des Aufenthaltes in Bologna, verfasstes »Gastmahl« ist eine wichtige Wegmarke in diese Richtung. Die Schrift, die einerseits die Eigenheiten seines bis dahin vorliegenden literarischen Werkes bündelt, stellt zugleich einen Vorentwurf des kommenden dar.
    Vor dem Hintergrund der aristotelischen Erkenntnis, dass sich alle Menschen von Natur aus nach Wissen sehnen, lud Dante zu einem »allgemeinen Gastmahl« ein, bei dem seine Gedichte die »Speise« sind, zu der man »Brot« braucht, das heißt die Kommentare, die die vielfachen Bedeutungen der Kanzonen erschließen. Anders als das leidenschaftliche »neue Leben« ist »Das Gastmahl« eher maßvoll und lässt den Autor als Persönlichkeit mit einem hohen ethischen Anspruch gleich einem anderen Augustinus hervortreten. Um den Adel des Geistes ging es Dante, nicht um den des Blutes. Seine historische Erfahrung lehrte zwingend, nach einem neuen, städtisch-bürgerlich geprägten Ideal von Wissen und Humanität zu streben, das sich kirchlicher und aristokratischer Anmaßung traditionsverbunden und kühn zugleich entgegenstellt. So behandelte er nach einer Begründung des Aufbaus seiner Schrift und nach einer Darlegung der Notwendigkeit, von sich selbst sprechen zu müssen, die Bedeutung, die die Verwendung der Volkssprache für die Vermittlung seiner Gedanken hat.

Weitere Kostenlose Bücher