Worte bewegen die Welt
Ausführungen zur Theorie der Dichtung, zu freiem Willen und Verantwortung, zu himmlischen und irdischen Gütern, zu Kosmologie und Geographie, aber vor allem große Strafreden des Dichters über den Zustand Italiens, über die Verderbtheit seines geliebten Florenz, über das Fehlen einer imperialen Herrschergestalt, wie sie das Buch »Über die Monarchie« einfordert.
Verjüngt und voller guter Erinnerungen gelangt Dante an Beatrices Seite vom irdischen Paradies in den Himmel. Neun Sphären hat er bis zur unmittelbaren Gottesschau zu durchschreiten. Die Seelen, denen er begegnet, sind jetzt weniger als Individuen mit einer persönlichen Biografie von Bedeutung als vielmehr in ihrer ideellen Orientierung auf die letzte Wahrheit, auf Gott. Sie erfüllt die Gewissheit der leiblichen Auferstehung, ihren Schattenleib begreifen sie als notwendige Form des Übergangs zur ewigen Seligkeit, der ihnen auch von den niedrigsten Himmelssphären aus gewährt werden wird. Alle religiösen Zweifel, die Dante noch bedrängen, können Beatrice, Thomas von Aquin und Salomon ausräumen. Der Dichter vermag die Fragen nach Glaube, Hoffnung und Liebe, die ihm die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes stellen, richtig zu beantworten. Alles Konkrete verwandelt sich in Wirkungsformen des Göttlichen: Dies gilt für die Erklärung der Mondflecken im zweiten wie für die Begründung der Idee des imperialen Rom im sechsten Gesang des »Paradieses«. Am Ende aber steht nach einem Mariengebet Bernhards von Clairvaux, der im 31. Gesang die Stelle Beatrices eingenommen hat, über alles Begreifen hinaus das übernatürliche Licht Gottes, jene Helligkeit, die Dante visionär die Dreifaltigkeit und in ihrer erneuten Steigerung Gott selbst und das von ihm ausgehende Urprinzip alles überstrahlender Liebe erkennen lässt. Das Streben, das ihm die Jenseitsreise auferlegte, hat in dieser letzten Erkenntnis sein Ziel gefunden und dem Dichter die Kraft geschenkt, als Wissender von dieser erfahrenen Einheit von Individuum und Universum für alle Zeiten Nachricht zu geben.
DANTE UND DIE NACHWELT
Die »Göttliche Komödie« hat nahezu ausschließlich für die Nachwirkung Dantes in Literatur und bildenden Künsten gesorgt. Vergleichbar in ihrer Verbreitung nur mit der Bibel, fand sie bereits früh Leser und Zuhörer, aber auch Kommentatoren, unter ihnen gleich zu Beginn Dantes Söhne Jacopo und Pietro.
Am 23. Oktober 1373 hielt Giovanni Boccaccio in Florenz die erste öffentliche Vorlesung über Dante und begründete damit eine Tradition, die bis heute ihren Platz im universitären Unterricht hat. In Deutschland begann die positive Aufnahme Dantes erst in der Romantik, die dann auch rasch zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit seinem Werk führte. Gustave Doré in Frankreich oder die Präraffaeliten in England setzten andere Zeichen für die Beschäftigung mit der »Göttlichen Komödie«, deren Einfluss bis in das 20. Jahrhundert anhält. James Joyce oder T. S. Eliot bezeugen dies ebenso wie Samuel Beckett, Albert Camus und Aleksandr Solschenizyn, Leopoldo Marechal, Jorge Luis Borges und Julio Cortázar, Rudolf Borchardt, Peter Weiss und Philippe Sollers. Dass gerade italienische Autoren immer wieder neue Zugänge zu ihrem Nationaldichter suchen, kann man unter anderem an Werken von Primo Levi, Elio Vittorini oder Giorgio Manganelli erkennen.
DAS ENDE
Dante starb in der Nacht vom 13. auf den 14. September 1321, wahrscheinlich an der Malaria, in Ravenna. Ganz Ravenna trauerte um ihn, sein letzter Gönner Guido Novella da Polenta ließ ihn feierlich im Franziskanerkloster von Ravenna beisetzen und hielt anschließend, ravennatischem Brauch entsprechend, eine »lange und schmuckvolle Rede« auf den Verstorbenen in jenem Haus, in dem der Dichter zuvor gewohnt hatte.
FRANCESCO PETRARCA
GEKRÖNTER DICHTER UND »VATER DES HUMANISMUS«
Petrarca war ein Mensch des 14. Jahrhunderts. Doch über alles Zeittypische hinaus reifte er zum zeitlosen Klassiker, zum Literaten von Weltrang. Neben Dante Alighieri und Giovanni Boccaccio zählt er zweifellos zu den ehrwürdigen Kultautoren Italiens. Nicht weniger bedeutend ist er als Gelehrter. Wegen seines bahnbrechenden Vorstoßes in die geistige Welt der Antike trägt er seit dem 19. Jahrhundert den Ehrentitel »Vater des Humanismus«
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20. 7. 1304
Geburt in Arezzo
ab 1316
Jurastudium in Montpellier und Bologna
6. 4. 1327
erste Begegnung mit Laura
1330–1347
Dienst als enger Vertrauter des Kardinals
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