Worte bewegen die Welt
und Umweltbedingungen.
Im engeren Sinne dient der Begriff, der sich zuerst zur Bezeichnung eines klassischphilologischen, gegen die Realschulen der Aufklärung gerichteten Bildungsideals findet, als Epochenbezeichnung, verbunden mit dem Streben nach einer am Beispiel der Griechen und Römer ausgerichteten Humanität. In diesem Sinne wurde aus »Humanismus« eine Epochenbezeichnung insbesondere für die philologische, kulturelle und wissenschaftliche Bewegung des 14. bis 16. Jahrhunderts, im Unterschied zum Neuhumanismus, dem »zweiten Humanismus«, und dem »dritten Humanismus« zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Humanismus bezeichnet weiterhin – ohne Bezug auf die Antike – eine auf den Menschen gerichtete Weltanschauung oder Philosophie.
EINE BERGBESTEIGUNG ZWISCHEN FIKTION UND WIRKLICHKEIT
1336 bestieg Petrarca in Begleitung seines Bruders Gherardo den Mont Ventoux in der Provence, so zumindest schrieb er in einem Brief an den befreundeten Augustinermönch Francesco Dionigi de’ Roberti. Nach mühevollem Aufstieg erreichten sie den Gipfel. Petrarca bewunderte die Aussicht und griff zu den mitgenommenen »Confessiones« (»Bekenntnissen«) des Kirchenvaters Augustinus. Zufällig stieß er auf folgende Stelle: »Und es gehen die Menschen, zu bestaunen die Gipfel der Berge und die ungeheuren Fluten des Meeres und die weit dahinfließenden Ströme und den Saum des Ozeans und die Kreisbahnen der Gestirne, und haben nicht Acht ihrer selbst.« Wie ein Blitz durchfuhren diese Worte Petrarcas Seele: »Ich war wie betäubt … und schloss das Buch im Zorne mit mir selbst darüber, dass ich noch jetzt Irdisches bewunderte.« Es gibt viele Gründe, warum in der Wissenschaft vielfach die Meinung vertreten wird, dass dieser angeblich spontan verfasste, dafür aber sorgfältig komponierte Brief eine Mystifikation beinhaltet. Vermutlich hatte die Bergbesteigung nie stattgefunden, und wahrscheinlich hat Petrarca die Zeilen erst 1353/54 geschrieben und – aus zahlensymbolischen Gründen – rückdatiert. Dieser Bericht sei, so folgert die Forschung, als Umschreibung des menschlichen Lebens zu verstehen. Der steile und beschwerliche, aber direkte Aufstieg zum Gipfel, den der ins Kloster eingetretene Bruder wählte, entspricht an dieser Stelle dem christlichen Tugendpfad.
MONT VENTOUX: DER WEG DER ERKENNTNIS
Als Petrarcas Bruder Gherardo 1343 in das Kartäuserkloster von Montrieux eintrat, schlug er auch im wirklichen Leben diesen Weg ein. Petrarca dagegen beschritt zunächst einen bequemeren Umweg, der an die Tradition des Lasterpfades erinnert. Erst als er auf dem Gipfel des Mont Ventoux angelangt war, leitete ihn die Schrift des Augustinus zur christlichen Erkenntnis zurück. Sollte das Bergsteigerabenteuer auch bloße Erfindung sein, so behält es dennoch seinen revolutionären Stellenwert, denn es ist von neuartigen Seherlebnissen durchdrungen: Mit ihm beginnt die Geschichte des modernen Naturgefühls.
ZWISCHEN EINSAMKEIT UND RUHM
1337 erwarb Petrarca in Vaucluse, in der Nähe Avignons, ein kleines Anwesen. Dort fand er seinen schon lange ersehnten Ort einsamer Ruhe, wo er sich ungestört der Lektüre der lateinischen Klassiker widmen und ein gewaltiges Geschichtswerk planen konnte, das zuletzt auf 23 Lebensbeschreibungen berühmter Männer des Altertums schrumpfte und erst in den 1370er-Jahren als »De viris illustribus« (»Von berühmten Männern«) veröffentlicht wurde.
1338 oder 1339 begann Petrarca mit seinem ehrgeizigsten Projekt, der »Africa«, einem Epos über die Heldentaten des römischen Feldherrn Scipio Africanus im Kampf gegen den Karthager Hannibal. Ungefähr zurgleichen Zeit ging er auch noch an ein umfangreiches italienischsprachiges Werk, die »Trionfi«, die in kompliziert verschlüsselten Beispielen die Macht der Liebe behandeln. Bald hallte Petrarcas Ruf aus dem abgelegenen Vaucluse durch halb Europa. Das Echo ließ nicht lange auf sich warten: Der römische Senat und die Universität Paris wollten Petrarca feierlich zum Dichter krönen. Er entschied sich für Rom, reiste aber zunächst im Februar 1341 nach Neapel, um sich vor König Robert einer angemessenen Prüfung zu unterziehen. Anschließend erfolgte die Zeremonie der Dichterkrönung auf dem römischen Kapitol. Im Zuge dieser großartigen Feierlichkeit rief man Petrarca zum »großen Dichter und Historiker« aus und verlieh ihm den Magistertitel. Anschließend kehrte der Dichterfürst über verschiedene Zwischenstationen in die
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