Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
mir mein Schlafzimmer mit der Zentrale
von ›PRO‹ teilen. Die Stadt zickt jedes Mal, wenn wir einen Antrag auf Förderung
des Vereins stellen.«
»Und das überrascht Sie natürlich«, meinte
Albrecht Skorubski und zuckte zusammen, als der andere in lautes Gelächter ausbrach.
»Nehmen Sie Platz!« Noch immer lachend zog
Mahler zwei Dreibeinhocker vor seinen Schreibtisch.
»Danke – wir stehen gerne. Wo waren Sie
am Montagabend zwischen 18 und 23 Uhr?«, fragte Nachtigall direkt, und Mahlers Gesichtszüge
erstarrten zu einer wütenden Fratze.
»Ich soll ein Alibi vorweisen?«, fauchte
der untersetzte Mann.
»Ja, wenn Sie es so nennen wollen. Und am
besten haben Sie auch gleich eines für Ihren Bodyguard draußen vor der Tür.«
»Mit welchem Recht? Wessen werde ich verdächtigt?«
Mahler funkelte wild zu Nachtigalls Gesicht hinauf.
Doch der blieb völlig unbeeindruckt.
»Wenn Sie versuchen wollen, mir etwas anzuhängen,
dann passen Sie bloß auf! Mein Anwalt wird sich der Sache sofort annehmen«, drohte
der Leiter von ›PRO‹ entschlossen.
»Ach – ich dachte, der sitzt ein.«
»Nein! Tut er nicht! Und bevor ich mich
dazu hinreißen lasse, Ihnen meine Abendbeschäftigungen offenzulegen, ist es an Ihnen,
mir zu erklären, warum ich so etwas tun sollte!«
»Sie haben von dem Mord hinter der Stadtmauer
gehört?«, fragte Nachtigall schlicht.
»Oh, daher weht der Wind! Das hätte ich
mir ja denken können! Eine Schwarze wird ermordet – und natürlich muss der Täter
bei ›PRO‹ zu finden sein! Klar – einfache Polizistenlogik! Wer käme wohl auch sonst
infrage?«, höhnte Mahler.
»Nun, ›PRO‹ ist nicht wegen seiner integrativen
Projekte in den Schlagzeilen. Ich kann mich auch an einige Anzeigen wegen fremdenfeindlicher
Übergriffe erinnern. Eines der letzten Opfer von ›PRO‹ lag mehrere Wochen im Klinikum.«
»Schnee von gestern«, behauptete Mahler
selbstbewusst.
»Kommen wir zum Ausgangspunkt unseres Gesprächs
zurück. Wo waren Sie?«
Demonstrativ begann der Angesprochene, in
seinem Kalender zu blättern.
»Ah – da haben wir es ja auch schon! Wir
hatten eine Versammlung, eine Zusammenkunft, ein Treffen – wie auch immer Sie es
nennen möchten. Und Willi, den Sie so treffend als meinen Bodyguard bezeichnet haben,
war auch dort. Er fuhr mich hin und wieder zurück.«
Nachtigall machte Skorubski ein Zeichen.
Daraufhin verschwand der Kollege nach draußen, um mit Willi zu sprechen.
Nachtigall setzte eine betont nachdenkliche
Miene auf.
»Das ist ja nun wirklich seltsam, Herr Mahler.
Es gibt nämlich einen Tatzeugen, der Ihren Willi dabei beobachtete, wie er hastig
den Tatort verließ. Er hat ihn tatsächlich ziemlich detailgenau beschrieben.«
»Das weiß ich schon«, antwortete Mahler
und scheuchte das Argument mit einer lässigen Handbewegung beiseite. »Bei mir klingelt
schon seit dem frühen Morgen das Telefon. Die Mitglieder von ›PRO‹ können lesen.
Allerdings muss ich Ihnen sagen: Ihr Zeuge irrt sich! Wenn dem nicht so wäre, hätte
ich meinen Willi höchstpersönlich bei Ihnen vorbeigebracht. Ich dulde keinen Mörder
in meinem Umfeld!«, behauptete er dann großspurig. »Aber wir waren bei dieser Versammlung.
Und saßen den ganzen Abend nebeneinander.«
»Nun, diese Versammlung wird ja keine Veranstaltung
für zwei gewesen sein. Am einfachsten ist, Sie geben mir eine Teilnehmerliste, damit
ich das Alibi überprüfen kann.«
»›PRO‹ ist nicht verboten. Es ist nicht
strafbar, unsere durchaus richtigen Ansichten zu vertreten«, geiferte Mahler erneut.
»Mag sein, dass Ihre Organisation noch nicht
verboten ist«, Nachtigall betonte das Wort ›noch‹ deutlich, »aber was hat das mit
der Teilnehmerliste zu tun?«
Albrecht Skorubski kehrte in diesem Moment
mit ausdrucksloser Miene in das Büro der Gruppierung zurück.
Holger Mahler wand sich noch immer.
»Willi wird unser Alibi wohl bestätigt haben.
Weitere Zeugen sind meiner Meinung nach nicht vonnöten«, stellte er in abschließendem
Ton fest.
»Nun, es ist Ihre Entscheidung. Wenn Sie
unsere Gastfreundschaft für ein paar Stunden in Anspruch nehmen möchten, können
wir das natürlich arrangieren«, erklärte Nachtigall mit freundlichem Lächeln.
»Ihren Willi finden Sie zurzeit übrigens
nicht mehr vor der Tür. Sie sollten, für den Fall, dass Sie sich unsicher fühlen,
einen Ersatz ordern. Unsere Kollegen haben ihn bereits mitgenommen«, berichtete
Albrecht Skorubski so beiläufig, als handle es sich um
Weitere Kostenlose Bücher