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Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede

Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede

Titel: Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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schmerzhaft. Nach einer halben Stunde bin ich bis auf die Unterwäsche schweißgebadet. »Ihre Muskeln sind so unglaublich verhärtet. Kurz davor, sich zu verkrampfen«, sagt sie jedes Mal erstaunt. »Die meisten Leute hätten längst aufgegeben. Dass Sie in diesem Zustand ein normales Leben führen können, wundert mich.«
    Sie warnt mich davor, meine Muskulatur weiter zu überfordern, sonst würde ich früher oder später einen Unfall haben. Vielleicht hat sie recht. Vielleicht auch nicht. Das hoffe ich zumindest, denn ich beanspruche meine Muskeln schon so lange auf diese Weise. Nach sehr anstrengendem Training kommt es häufig vor, dass sie sich verhärten. Wenn ich am Morgen die Laufschuhe anziehe und aufbreche, fühlen sich meine Füße so schwer an, als würden sie für eine Ewigkeit nicht vom Fleck kommen. Ganz langsam laufe ich die Straße entlang; eigentlich habe ich eher das Gefühl, mich dahinzuschleppen. Nicht einmal die Nachbarin, die rasch die Straße hinuntergeht, kann ich einholen. Doch mit der Zeit lockert sich die Muskulatur, und nach etwa zwanzig Minuten kann ich normal laufen. Dann werde ich allmählich schneller. Anschließend laufe ich ohne besondere Beschwerden mechanisch weiter.
    Also brauchen meine Muskeln lange, um warm zu werden. Am Anfang sind sie äußerst träge. Aber wenn sie einmal warm sind, halten sie ziemlich lange durch, ohne dass ich ihnen Gewalt antun muss. Sie sind sehr geeignet für lange Strecken, aber für kürzere völlig ungeeignet. Ein Kurzstreckenlauf ist schon vorüber, ehe meine Muskeln richtig in Gang kommen. Mir ist nicht ganz klar, wie es zu dieser Art von Spezialisierung der Muskulatur kommt, aber ich vermute fast, sie ist überwiegend angeboren. Es kommt mir sogar so vor, als stünde sie in einer gewissen Beziehung zu meiner psychischen Veranlagung. Der Geist eines Menschen wird doch von seinem Körper gelenkt, nicht wahr? Oder ist es umgekehrt, und das Geistige wirkt sich auf die Funktionsweise des Körpers aus? Oder beeinflussen Körper und Geist sich gegenseitig und wirken aufeinander ein? Ich kann nur so viel sagen:Als Mensch hat man bestimmte angeborene Neigungen, mit denen man leben muss, ob es einem gefällt oder nicht. Es ist unmöglich, ihnen zu entkommen. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich eine Veranlagung zwar regulieren, aber grundlegend ändern kann man sie nicht.
    Mein Puls schlägt für gewöhnlich etwa fünfzig Mal in der Minute. Das ist vergleichsweise langsam. (Naoko Takahashi, die Goldmedaillengewinnerin von Sydney, soll eine Pulsfrequenz von 35 haben.) Bin ich etwa eine halbe Stunde gelaufen, steigt er auf 70. Erst nachdem ich meine ganze Kraft eingesetzt habe, erreicht er ungefähr die 100, die Frequenz der meisten Menschen. Ich habe also eindeutig eine Langstrecken-Konstitution. Seit ich täglich laufe, hat sich meine Pulsfrequenz merklich verringert. Damit stellte mein Körper sich auf die Anforderungen des Langstreckenlaufs ein. Bei einem von vorneherein schnellen Puls, der beim Laufen immer schneller wird, besteht die Gefahr eines Zusammenbruchs. Wenn ich in Amerika zum Arzt gehe, sagt die Schwester, die den Puls misst, unweigerlich:»Aha, Sie sind Läufer.« Wahrscheinlich haben die meisten altgedienten Langstreckenläufer eine ähnliche Pulsfrequenz. Man kann, wenn man durch die Straßen läuft, sofort die Anfänger von den Veteranen unterscheiden. Die Ersteren schleppen sich kurzatmig vorwärts, während die anderen ruhig und regelmäßig atmen. Ihre Herzen schlagen langsam, sie sind in Gedanken versunken. Wenn zwei erfahrene Läufer einander begegnen, erkennen sie einander an der Atmung, und einer spürt den Rhythmus des anderen, ähnlich wie ein Schriftsteller die Sprache und den Stil des anderen erkennt.
    Jedenfalls sind meine Muskeln im Augenblick ziemlich steif und verspannt. Sosehr ich sie auch dehne, sie wollen sich nicht lockern. Ich bin auf dem Höhepunkt meines Trainings, dennoch sind sie so fest. Mitunter muss ich sie, wenn sie so verhärtet sind, mit einem Stock schlagen (natürlich tut das weh!). Sie sind ebenso stur wie ich, oder nein, noch sturer. Sie behalten vieles und haben Ausdauer. Steigern können sie sich auch. Aber sie gehen keine Kompromisse ein und sind nicht flexibel. Trotz allem sind sie Teil meines Körpers mit all seinen Anlagen und Beschränkungen, nicht anders als mein Gesicht und meine Begabung. Auch wenn sie mir nicht gefallen, muss ich damit zurechtkommen, denn austauschen kann ich sie nicht. Mit

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