Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
mein Soll das Haben überwiegt.
Die Erinnerung an dieses frühe Erlebnis stieg vierzig Jahre später plötzlich in mir auf, als ich in einem schwarzen Schwimmanzug mit Schwimmbrille auf der Stirn am Strand stand und auf den Start des Triathlon wartete. Und wieder überkam mich der Gedanke, wie erbärmlich dieses kleine Gefäß doch ist, das ich bin, und was für ein unzulängliches Wesen ich bin. Ich fand mich ungenügend, zerrissen und armselig. Ich hatte das Gefühl, dass alles, was ich bisher getan hatte, absolut nutzlos war. In wenigen Minuten würde ich 1,5 Kilometer schwimmen, dann 40 Kilometer Radfahren, dann noch einmal 10 Kilometer laufen. Und was sollte das bringen? Das war doch nicht viel anders, als Wasser in einen alten Topf mit einem kleinen Loch zu gießen.
Zumindest über das Wetter konnte man sich nicht beschweren, es war ein wunderschöner Tag. Eigentlich sogar ein idealer Tag für einen Triathlon. Es wehte kein Wind, und das Meer war spiegelglatt. Die Sonne hüllte die Erde in sanfte Wärme, es herrschten milde 23 Grad Celsius. Auch die Wassertemperatur ließ nichts zu wünschen übrig. Es war das vierte Mal, dass ich am Triathlon der Stadt Murakami in der Präfektur Niigata teilnahm, und bei den drei Malen davor waren die Bedingungen grässlich gewesen. Einmal war die See so rau (am Japanischen Meer kann es im Herbst sehr schnell stürmisch werden), dass der Schwimmteil durch einen Strandlauf ersetzt werden musste. Aber auch wenn die Bedingungen nicht so dramatisch waren, hatte ich alle möglichen unangenehmen Erlebnisse. Es regnete oder die Wellen waren so hoch, dass ich beim Kraulen kaum Luft holen konnte, oder es war so kalt, dass ich beim Radrennen fast erfror. Daher rechne ich stets schon mit dem Schlimmsten, wenn ich mich in Tokyo ins Auto setze, um die 350 Kilometer zu diesem Wettkampf nach Niigata zu fahren. Ich bin fest überzeugt, dass etwas Schreckliches geschehen wird. Vielleicht ist das eine Art Image-Training für mich. Als ich das ruhige, heitere Meer sah, fühlte ich mich fast betrogen. Oh nein, so leicht würde ich mich nicht drankriegen lassen. Wahrscheinlich war das alles nur trügerischer Schein, und in Wirklichkeit lauerten auf mich unberechenbare Gefahren. Vielleicht ein Schwarm giftiger Quallen. Oder ein hungriger Bär kurz vor dem Winterschlaf würde sich auf mich und mein Rad stürzen. Oder ein Blitz würde mich beim Laufen genau in den Kopf treffen. Vielleicht griff mich auch ein Schwarm wütender Hornissen an. Oder meine Frau, die an der Ziellinie auf mich wartete, hatte einige meiner düstersten Geheimnisse (da könnte es welche geben) aufgedeckt. Irgendetwas, ich weiß nicht was, wird geschehen. Die Aussicht auf den Internationalen Murakami-Triathlon erfüllt mich immer mit Unsicherheit.
Doch dieses Mal ist das Wetter wirklich wunderschön. Mir wird sogar warm in meinem schwarzen Neoprenanzug. Die Leute um mich herum, die genauso angezogen sind wie ich, warten ungeduldig auf den Beginn des Wettkampfs. Eine seltsame Szene, wenn man darüber nachdenkt. Wir sehen aus wie ein paar arme Meeressäuger, die durch eine Laune der Natur auf eine Sandbank geworfen wurden und jetzt auf die Flut warten. Alle anderen wirken optimistischer als ich, aber vielleicht kommt mir das auch nur so vor. Ich ermahne mich, mir nicht so viele überflüssige Gedanken zu machen. Jetzt bin ich den ganzen weiten Weg hierher gekommen und muss mein Bestes tun. In den kommenden drei Stunden muss ich nur schwimmen, Rad fahren und laufen – ohne zu denken.
Ob der Wettkampf nicht bald anfängt? Ein Blick auf die Uhr. Seit ich das letzte Mal geschaut habe, ist kaum Zeit vergangen. Wenn das Rennen endlich beginnt, werde ich (wahrscheinlich) keine Zeit mehr haben, mir überflüssige Gedanken zu machen …
Bisher habe ich an sechs Triathlonveranstaltungen unterschiedlicher Dauer teilgenommen. In den Jahren von 2000 bis 2004 pausierte ich. Diese Lücke kam zustande, als ich beim Triathlon in Murakami im Jahr 2000 plötzlich nicht mehr schwimmen konnte und disqualifiziert wurde. Es dauerte eine Weile, bis ich mich von dem Schock erholt und meine Fassung wiedererlangt hatte. Warum ich nicht hatte schwimmen können, war mir unklar. Ich grübelte endlos darüber nach und verlor mein Selbstbewusstsein. Ich hatte schon an vielen Wettkämpfen teilgenommen, dies war jedoch das erste Mal, dass ich disqualifiziert wurde.
Ich schreibe, ich hätte »plötzlich« nicht mehr schwimmen können, doch ehrlich gesagt,
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