WoW 02 - Der letzte Wächter
einen einsamen Turm inmitten von Hügeln zeigte, der von Mondlicht übergossen wurde.
Und es gab eine weitere Blase, die nur kurz zu sehen war. Sie zeigte eine dunkle Szene tief unter dem Meer. Sie wirkte wie ein flüchtiger Gedanke, der sofort wieder schwand. Trotzdem fühlte Khadgar Macht. Da war ein Grab unter dem Meer, eine Gruft, die Macht wie Herzschläge aussandte. Es war für einen Moment zu sehen, dann nicht mehr.
»Sammle deine Streitkräfte«, sagte die verhüllte Gestalt. »Sammle deine Armeen und Krieger und Arbeiter und Verbündeten, und bereite sie auf eine Reise durch das Wirbelnde Dunkel vor. Bereite sie gut vor, denn dies alles wird dir gehören, wenn du erfolgreich bist.«
Khadgar schüttelte den Kopf. Die Stimme irritierte ihn mit Vertrautheit. Dann begriff er, wem sie gehörte, und sein Herz flatterte.
Gul'dan hockte am Boden und hatte die Hände vor dem Körper gefaltet. »Das werde ich tun, denn deine Macht ist groß. Aber wer bist du wirklich, und wie werden wir diese Welt erreichen?«
Die Gestalt hob die Hände an die Kapuze, und Khadgar schüttelte den Kopf. Er wollte das nicht sehen. Er wusste es, aber er wollte es trotzdem nicht sehen.
Ein faltiges Gesicht. Graue Augenbrauen. Grüne Augen, in denen verborgenes Wissen und etwas Gefährliches schimmerte. Neben ihm stieß Garona die Luft aus.
»Ich bin der Wächter«, sagte Medivh zu dem Orc-Magier. »Ich werde dir den Weg ebnen. Ich werde den Kreis zerschlagen und frei sein.«
DREIZEHN
DER ZWEITE SCHATTEN
»Nein!«, schrie Khadgar, und die Vision erlosch augenblicklich. Allein standen sie im Speisesaal in der Mitte eines Kreises aus zerstoßenem Rosenquarz und Amethyst.
In seinen Ohren rauschte es, und die Ränder seines Gesichtsfelds waren verschwommen. Er war in die Knie gegangen, hatte aber nicht gemerkt, dass er sich überhaupt bewegte. Garonas Stimme neben ihm klang leise, beinahe erstickt.
»Medivh«, sagte sie ruhig. »Der alte Mann. Das kann nicht sein.«
»Das kann sein«, sagte Khadgar. Sein Magen fühlte sich an, als sei er voll mit wimmelnden Schlangen. Seine Gedanken rasten, und obwohl er es verneinen wollte, wusste er, in welche Richtung sie drängten.
»Nein«, sagte Garona grimmig. »Das muss ein Irrtum sein. Eine falsche Vision. Wir haben nach einer Sache gesucht – und eine andere gefunden. Du hast gesagt, dass das schon mal passiert ist.«
»Nicht so«, sagte Khadgar. »Wir sehen vielleicht nicht immer, was wir wollen, aber wir sehen immer die Wahrheit.«
»Vielleicht war es nur eine Warnung«, sagte die Halb-Orc.
»Es ergibt Sinn«, sagte Khadgar, und seine Stimme klang belegt, bedauernd. »Denk doch mal nach. Deshalb funktionierten die Schutzzauber nach dem Angriff noch. Er war bereits innerhalb der Zauber und hat den Dämon von dort aus beschworen.«
»Aber die Gestalt wirkte nicht wie er«, sagte Garona. »Vielleicht war es eine Illusion, ein magischer Betrug. Das passte nicht zu ihm.«
»Er war es«, sagte der Lehrling und erhob sich. »Ich kenne die Stimme des Meisters. Ich kenne das Gesicht des Meisters. All seine Angewohnheiten und Stimmungen.«
»Aber es war, als habe sich etwas anderes dieses Gesicht übergestülpt«, sagte Garona. »Etwas Falsches. Als wäre er nur Kleidung oder eine Rüstung, die von jemandem getragen wird.«
Khadgar sah die Halb-Orc an. Ihre Stimme zitterte, und ihre Augen schwammen in Tränen. Sie wollte es nicht glauben. Sie konnte es einfach nicht glauben.
Khadgar wollte es ebenfalls nicht wahrhaben. Er nickte langsam. »Es könnte ein Trick sein. Vielleicht ist er es doch selbst und versucht den Orc zu überlisten, dazu zu bringen, in diese Welt zu kommen. Vielleicht eine Vision der Zukunft.«
Jetzt schüttelte Garona den Kopf. »Nein. Das war Gul'dan. Er ist bereits hier. Er hat uns durch das Portal gebracht. Das war in der Vergangenheit, das war ihr erstes Treffen. Aber wieso will Medivh die Orcs nach Azeroth bringen?«
»Es erklärt jedenfalls, warum er nichts gegen sie unternimmt«, sagte Khadgar. Er schüttelte den Kopf und versuchte die Gedanken loszuwerden, die sich dort festgesetzt hatten. So viele Dinge ergaben jetzt Sinn. Die seltsamen Abwesenheiten. Das fehlende Interesse an der stärker werdenden Orc-Präsenz. Sogar die Anwesenheit der Halb-Orc in der Burg.
Er betrachtete Garona und fragte sich, wie sehr sie in die Angelegenheit verstrickt war. Die Neuigkeiten schienen sie zu schockieren, aber gehörte sie dennoch zu den
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