WoW 05 - Der Tag des Drachen
Ihr tatsächlich einen Weg kennt, der in den Berg hineinführt?«
»Aye, doch es ist kein leichter Weg … und nicht nur die Orcs patrouillieren dort.«
»Was meinst du damit?«, fragte Falstad neugierig.
Rom präsentierte dem Zwerg das gleiche unschuldige Lächeln, mit dem Falstad ihn anblickte, und fragte: »Hast du schon vergessen? Sie haben Drachen …«
Das Heiligtum von Krasus war in der Nähe eines uralten Wäldchens erbaut worden, älter als die Drachen selbst. Ein Elf hatte es errichtet, später war es von einem menschlichen Zauberer besetzt worden, und dann, lange nachdem dieser es verlassen hatte, hatte Krasus es in Besitz genommen. Er hatte die Kräfte, die hier weilten, gespürt, und bei seltenen Gelegenheiten aus ihnen ein wenig eigene Stärke ziehen können. Doch selbst der Drachenzauberer war überrascht gewesen, als er eines Tages in dem abgelegensten Teil der Zitadelle den versteckten Eingang gefunden hatte, der zu einem glitzernden Becken und zu einem goldenen Juwel führte, das in der Mitte des Beckenbodens eingelassen war. Jedes Mal, wenn er die Kammer betrat, spürte er ein Gefühl von Ehrfurcht, was bei seinesgleichen selten vorkam. Die Magie hier ließ ihn sich wie einen menschlichen Lehrling fühlen, der gerade seinen ersten magischen Spruch erlernt hatte. Krasus wusste, dass er bisher nur einen Bruchteil der wahren Macht des Wasserbeckens angezapft hatte, doch etwas hielt ihn davon zurück, zu versuchen, mehr davon zu bekommen. Die, die in ihrer Suche nach magischer Kraft zu gierig vorgingen, wurden nach und nach von ihr verschlungen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Deathwing war diesem Schicksal allerdings bislang entronnen.
Obwohl es sich so tief unter der Erde befand, war das Wasser nicht völlig ohne Leben – oder etwas, was dem nahe kam. Das Wasser war klarer als jede andere Flüssigkeit auf der Welt, doch Krasus konnte die kleinen, schlanken Geschöpfe, die sich im Becken und ganz besonders in der Nähe des Juwels aufhielten, nie wirklich genau erkennen, so sehr er es auch versuchte. Manchmal hätte er schwören können, sie wären nichts als kleine silberne Fische, doch dann und wann hätte der Drachenzauberer auch schwören mögen, dass er Arme sah, einen menschlichen Körper, und bei einigen seltenen Gelegenheiten – Beine.
Heute ignorierte er die Bewohner des Beckens. Seine Begegnung mit Ihr-von-den-Träumenden hatte Hoffnung auf Hilfe in ihm geweckt; doch Krasus wusste, dass er darauf allein nicht bauen konnte. Es würde nicht mehr lange dauern, und er würde sich selbst einbringen müssen.
Und das war der Grund, aus dem er nun hergekommen war, denn eine der Eigenschaften des Wassers war Verjüngung für jene, die von ihm tranken – wenigstens für einige Zeit. Das Gift, das er benutzt hatte, um in das verborgene Reich von Ysera zu gelangen, hatte Krasus geschwächt, und wenn die Dinge verlangten, dass er handelte, wollte er dazu auch in der Lage sein.
Der Zauberer beugte sich hinab und schöpfte mit der Hand ein wenig von dem Wasser. Beim ersten Mal hatte er einen Becher benutzen wollen, doch es hatte sich herausgestellt dass das Becken künstlich geschaffene Dinge abstieß. Krasus lehnte sich über den Rand, damit die Tropfen, die er verschüttete, wieder in das Wasser zurückfielen. Sein Respekt für die Macht, die ihm innewohnte, war über die Jahre sehr groß geworden.
Doch als er trank, fiel ihm eine Kräuselung der Wasseroberfläche auf. Krasus blickte auf das, was eigentlich das vollkommene Spiegelbild seiner menschlichen Form hätte sein sollen – doch es zeigte etwas völlig anderes.
Rhonins junges Gesicht sah ihn an … zumindest dachte der Zauberer das zuerst. Dann stellte er fest, dass die Augen seines Gegenübers geschlossen waren und der Kopf leicht zur Seite rollte, als ob … als ob er tot sei.
Auf Rhonins Gesicht legte sich eine große, grüne Orc-Hand.
Krasus reagierte instinktiv, er fasste ins Wasser, um die widerliche Hand wegzustoßen. Stattdessen zerstörte er das Bild, und als die Wellen sich gelegt hatten, sah er nur noch seine eigene Spiegelung.
»Bei der Großen Mutter!« Das Becken hatte diese Fähigkeit noch nie gezeigt. Warum jetzt?
Erst dann fielen Krasus die Abschiedsworte von Ysera wieder ein.
Und unterschätze nicht die Macht derer, die für dich nur Spielfiguren sind!
Was hatte sie damit gemeint, und warum hatte er gerade Rhonins Gesicht gesehen? Nach dem kurzen Bild, das der alte Zauberer hatte erhaschen können, war
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