WoW 05 - Der Tag des Drachen
befreien – und das werden wir tun, egal, was es uns kostet!«
Unbeeindruckt antwortete Rhonin: »Aber zuerst müsst Ihr etwas gegen die Drachen unternehmen, nicht wahr?«
»Wir werden sie vernichten, Zauberer, sie in die Unterwelt schicken, in die sie gehören. Wenn du und deine teuflischen –«
Vereesa berührte die Hand des Kommandanten und schenkte ihm ein Lächeln, das selbst Rhonin nervös machte. »Wie lange seid Ihr bereits ein Paladin, Lord Senturus?«
Rhonin beobachtete überrascht, wie sich die Waldläuferin in eine charmante und reizende junge Frau verwandelte. Ihre Verwandlung veränderte auch Duncan Senturus. Sie scherzte mit dem ergrauenden Ritter und schien an seinen Lippen zu hängen. Ihre Persönlichkeit hatte sich so sehr verändert, dass der Zauberer, der sie beobachtete, kaum glauben konnte, dass es sich um die gleiche Frau handelte, die ihn seit Tagen als Führerin und Helferin begleitete.
Duncan erzählte ausschweifend von den nicht gerade bescheidenen Anfängen seines Lebens als Sohn eines reichen Lords, der dem Orden beitrat, um sich einen Namen zu machen. Obwohl die anderen Ritter die Geschichte schon oft gehört haben mussten, hörten sie aufmerksam zu, sahen ihren Anführer wohl als leuchtendes Beispiel für ihre eigenen Karrieren. Rhonin beobachtete einen nach dem anderen und bemerkte mit leichtem Unbehagen, dass die Paladine kaum blinzelten oder atmeten, während sie der Geschichte lauschten.
Vereesa kommentierte die meisten Teile seiner Erzählung und ließ sogar die einfachsten Taten des älteren Mannes wundersam und mutig erscheinen. Sie spielte ihre eigenen Leistungen herunter, als Lord Senturus sie nach ihrer Ausbildung fragte, obwohl Rhonin sicher war, dass die Waldläuferin ihren Gastgebern in mancherlei Hinsicht überlegen war.
Der Paladin war hingerissen von ihrer Art und wurde immer ausschweifender, aber Rhonin hatte schließlich genug. Er verabschiedete sich – was niemand weiter beachtete – und eilte nach draußen, um frische Luft zu schöpfen und die Einsamkeit zu suchen.
Nacht lag über der Festung, eine mondlose Dunkelheit, die den hochgewachsenen Zauberer wie eine Decke einhüllte. Er freute sich darauf, Hasic zu erreichen und seine Reise nach Khaz Modan fortzusetzen. Dann war endlich Schluss mit Waldläufern, Paladinen und anderen nutzlosen Narren, die ihn nur von seiner eigentlichen Aufgabe abhielten. Rhonin arbeitete am besten allein, das hatte er schon vor der letzten Katastrophe, in die er geschlittert war, klar zu machen versucht. Aber man hatte ihm kein Gehör geschenkt, und er hatte den Befehlen gehorchen müssen, um den Sieg zu erzwingen. Die anderen Teilnehmer der Mission hatten seine Warnungen ignoriert und die Erfordernisse ihrer gefahrvollen Mission nicht begriffen. Mit dem typischen Hochmut der Untalentierten hatten sie sich zwischen seinen mächtigen Zauberspruch und die eigentlichen Ziele – eine Gruppe von Orc-Zaubermeistern, die etwas von den Toten hatten auferstehen lassen wollen, das manche für einen Dämon aus den alten Legenden hielten – gedrängt und waren dabei mit umgekommen.
Rhonin bedauerte jeden einzelnen Toten mehr, als er seinen Herren im Kirin Tor jemals gezeigt hatte: Sie verfolgten ihn, stachelten ihn zu immer riskanteren Unternehmen an … und was konnte gefährlicher sein, als ganz allein zu versuchen, die Drachenkönigin aus ihrem Gefängnis zu befreien?
Er musste dies allein schaffen, nicht nur des Ruhmes wegen, den es ihm einbringen würde, sondern auch, so hoffte Rhonin, um die Geister seiner toten Kameraden friedlich zu stimmen; Geister, die ihm keinen Moment der Ruhe gönnten. Selbst Krasus wusste nichts von diesen Heimsuchungen – was gut war da er sonst wahrscheinlich an Rhonins Verstand und seinem Wert gezweifelt hätte.
Der Wind frischte auf, als er die Festungsmauer erklomm. Einige Ritter standen Wache, aber die Neuigkeit seiner Anwesenheit in der Bastion schien sich herumgesprochen zu haben. Nachdem ihn der erste Wächter mithilfe seiner Laterne erkannt hatte, wurde Rhonin erneut zum Ausgestoßenen. Das störte ihn jedoch nicht; ihn interessierten die hiesigen Krieger ebenso wenig wie er sie.
Jenseits der Festung verwandelten die vagen Umrisse der Bäume die Landschaft in etwas Magisches. Rhonin hätte am liebsten die fragwürdige Gastfreundschaft verlassen und sich einen Schlafplatz unter einer Eiche gesucht. Dann hätte er wenigstens nicht mehr den frömmelnden Worten von Duncan Senturus zuhören
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