WoW 05 - Der Tag des Drachen
können wir es nicht wagen, ihn öffentlich herauszufordern, denn er wird, abgesehen von uns, zweifelsohne den Rückhalt jedes einzelnen Mitglieds der Allianz haben.«
Die ältere Frau nickte. »Und selbst wir können uns nicht gegen die vereinte Macht der anderen Königreiche stellen, sollten sie unsere Einmischung als zu störend auffassen.«
»Genau so ist es.«
Mit einer knappen Handbewegung ließ Krasus die Darstellung Prestors verschwinden, doch die Erscheinung des jungen Adligen hatte sich bereits ins Bewusstsein eines jeden der Kinn Tor eingebrannt. Schweigend stimmten sie alle darin überein, dass sie vor einem Problem standen, das schwierig zu lösen sein würde.
»Ich muss Euch erneut verlassen«, sagte Krasus. »Ich schlage vor, Ihr alle folgt meinem Beispiel und denkt über diese schreckliche Angelegenheit gründlich nach. Geht jeder Spur nach und sei sie noch so vage und unwahrscheinlich, doch tut es rasch. Wenn der Thron von Alterac von diesem personifizierten Rätsel bestiegen wird, so nehme ich an, wird die Allianz nicht mehr lange bestehen, ganz gleich, wie einig sich ihre Fürsten gegenwärtig geben.« Er holte tief Luft. »Und ich fürchte, Dalaran wird ebenso fallen wie alles andere, wenn dies geschieht.«
»Wegen dieses einzelnen Mannes?«, stieß der bärtige Zauberer hervor.
»Wegen ihm, ja.«
Und während die anderen über seine Worte nachdachten, verschwand Krasus …
… um in seinem Sanktuarium zu erscheinen, noch immer aufgewühlt von dem Sachverhalt, den er entdeckt hatte. Schuldgefühle plagten ihn, denn Krasus war nicht ganz aufrichtig zu seinen Gesprächspartnern gewesen. Er wusste weit mehr über diesen mysteriösen Lord Prestor, oder ahnte es zumindest, als er die anderen hatte wissen lassen. Er wünschte, er hätte ihnen alles erzählen können, doch sie hätten vermutlich nur seine geistige Gesundheit in Frage gestellt, und selbst wenn sie ihm geglaubt
hätten
, so wäre auf diese Weise zu viel über ihn selbst und seine Methoden enthüllt worden.
Zu diesem undankbaren Zeitpunkt konnte er sich dies nicht leisten.
Mögen sie handeln, wie ich es von ihnen erhoffe.
Allein in seinem dunklen Sanktuarium, wagte Krasus schließlich, seine Robe zurückzuschlagen. Ein einzelnes, schwaches Licht ohne erkennbare Quelle war die einzige Beleuchtung der Kammer, und in seinem sanften Schein stand ein stattlicher, ergrauender Mann mit knochigen Zügen, die ans Leichenhafte grenzten. Schwarze, glitzernde Augen zeugten von einem Alter und einer Müdigkeit, die über das hinausgingen, was sich auf seinem Gesicht niedergeschlagen hatte.
Drei lange Narben zogen sich Seite an Seite die rechte Wange hinab; Narben, die trotz ihres Alters noch immer unterschwelligen Schmerz verursachten.
Der Zauberer hob seine Linke; sie war behandschuht. Oberhalb der Handfläche erschien plötzlich eine bläuliche Kugel. Krasus fuhr mit seiner Rechten über die Kugel, und sofort begannen sich Bilder darin zu formen. Er lehnte sich zurück, um diese Szenen zu studieren. Hinter ihm brachte sich ein hochlehniger Steinsitz in Position.
Einmal mehr observierte Krasus den Palast von König Terenas. Das königliche Bauwerk hatte den Monarchen des Reiches über viele Generationen als Heim gedient. Doppeltürme, die sich über mehrere Stockwerke erhoben, flankierten das Hauptgebäude, einen grauen, prachtvollen Bau, der allein schon einer kleinen Festung glich. Die Banner von Lordaeron flatterten gut sichtbar nicht nur auf den Türmen, sondern auch über dem mächtigen Eingangstor. Soldaten im Gewande der königlichen Garde hielten Wache außerhalb des Tores, im Inneren waren einige Mitglieder der Ritter der Silbernen Hand postiert. Unter normalen Umständen wären die Paladine nicht Teil der Palastverteidigung gewesen, aber solange die Besucher von königlichem Geblüt noch einige kleinere Angelegenheiten zu besprechen hatten, wurden diese vertrauenswürdigen Krieger eindeutig gebraucht.
Erneut fuhr der Zauberer mit seiner freien Hand über die Kugel. Links von der Palastansicht tauchte ein Bild des Innenbereichs auf. Mit einem gezielten Blick verbesserte der Zauberer die Sicht auf den Saal.
Terenas und sein junger Schützling. Obwohl die Zusammenkunft beendet war und die anderen Herrscher unmittelbar vor er Abreise standen, harrte Lord Prestor also weiterhin beim König aus. Krasus verspürte eine starke Verlockung, den Geist schwarzgekleideten Aristokraten zu durchforschen, doch er besann sich eines
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