WoW 05 - Der Tag des Drachen
Besseren. Sollten die anderen dieses vermutlich unmögliche Unterfangen in Angriff nehmen. Jemand wie Prestor erwartete zweifellos einen derartigen Übergriff und würde prompt darauf reagieren. Noch wollte Krasus seine Rolle in diesem Spiel nicht leichtfertig enthüllen.
Wenn er es auch nicht wagte, in die Gedanken des Mannes vorzudringen, so konnte er doch wenigstens seine Vergangenheit genauer unter die Lupe nehmen … und wo ließ es sich besser beginnen als auf jenem Schloss, in dem der Flüchtling unter dem Schütze des Königs residierte? Krasus vollführte über der Kugel eine Geste, und ein neues Bild erschien. Es zeigte jenes andere Gebäude so, als blicke man aus weiter Ferne darauf. Der Zauberer betrachtete es für einen Augenblick, ohne etwas von Belang zu erspähen, und schickte dann seine magische Sonde näher.
Als sich die Sonde der hohen Mauer näherte, die das Gebäude umgab, versperrte ihm ein Zauber, weit schwächer als er es erwartet hätte, den Zugang. Krasus umging dem Spruch mit Leichtigkeit, ohne ihn dabei auszulösen. Nun lag das Äußere des Schlosses unmittelbar vor ihm, ein düsterer Ort, trotz seiner eleganten Fassade. Prestor bevorzugte ganz offensichtlich ein ordentliches Haus, aber nicht unbedingt ein heimeliges. Was den Magier kaum überraschte.
Eine rasche Überprüfung brachte einen weiteren Verteidigungsspruch zum Vorschein, diesmal etwas ausgeklügelter, doch nach wie vor nichts, was Krasus nicht hätte umgehen können. Mit einer geschickten Handbewegung glitt die knochige Gestalt einmal mehr an Prestors Machwerk vorbei. Nur noch ein Moment, und Krasus befand sich im Innern, wo er endlich …
Die Kugel wurde schwarz.
Die Schwärze breitete sich über ihre Grenzen hinaus aus.
Die Schwärze
griff nach
dem Zauberer.
Krasus stemmte sich von seinem Sitz. Tentakel aus purer Finsternis umschlangen die Stelle, wo er eben noch gesessen hatte und strömten darüber hinweg, wie sie es auch mit dem Magier getan hätten. Als Krasus auf die Beine kam, sah er, wie sich die Tentakel zurückzogen – von dem Sitz war keine Spur zurückgeblieben.
Weitere Tentakel quollen aus dem Ding hervor, das einmal seine magische Kugel gewesen war. Der Magier stolperte rückwärts – einer der wenigen Momente seines Lebens, in denen er vorübergehend zu überrascht war, um zu handeln. Dann jedoch sammelte sich Krasus und begann Worte zu murmeln, die seit mehreren Lebensaltern keine lebende Seele mehr vernommen hatte; Worte, die er selbst nie ausgesprochen, nur mit Faszination erlernt hatte.
Eine Wolke materialisierte vor ihm, eine Wolke, die sich wie ein Gespinst verdichtete. Sofort schwebte sie auf die suchenden Tentakel zu und traf sie in der Luft.
Die ersten Tentakel, die die nachgiebige Wolke berührten, verschrumpelten und wurden zu Asche, die verwehte, noch bevor sie den Boden erreichte. Krasus atmete erleichtert aus – nur um gleich darauf voller Grauen zu beobachten, wie das zweite Bündel Tentakel seinen Gegenzauber umfing.
»Das kann nicht sein …«, murmelte er mit weit aufgerissenen Augen. »
Das kann nicht sein!
«
Wie es die ersten Tentakel schon mit dem Steinsitz gemacht hatten, zogen die schwarzen Extremitäten nun auch die Wolke in sich hinein, absorbierten, nein, verschlangen sie.
Krasus hatte begriffen, womit er es zu tun hatte. Nur der
Unstillbare Hunger
, ein verbotener Spruch, war in der Lage, solches zu tun. Der Magier hatte seinen Einsatz bis zu diesem Moment nie persönlich erlebt, aber jeder, der die Künste ähnlich lange wie er studierte, hätte die Gegenwart dieses bösartigen Zaubers erkannt. Dennoch hatte sich irgendetwas verändert, denn der Gegenzauber, den er ausgewählt hatte, hätte der Richtige sein müssen, um genau dieser Bedrohung ein Ende zu setzen, und für einen Augenblick hatte es ja auch den Anschein gehabt …
… doch dann hatte sich eine unheimliche Veränderung vollzogen, eine
Verschiebung
in der Essenz des dunklen Zaubers. Nun näherte sich ihm das zweite Bündel Tentakel, und Krasus wusste zunächst nicht, wie er es davon abhalten sollte, ihn zum nächsten Gang seines Mahls zu degradieren.
Er zog in Betracht, aus der Kammer zu fliehen, aber er wusste, dass die Monstrosität ihn weiter verfolgen würde, ganz gleich, wo auf der Welt sich Krasus vor ihr zu verbergen suchte. Das war ein Teil der Besonderheit des
Unstillbaren Hungers
: Seine gnadenlose Jagd erschöpfte und zermürbte das Opfer, bis es sich schließlich in sein Schicksal
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