WoW 05 - Der Tag des Drachen
da die Orc-Horde zerschlagen wurde, beginnt das Volk zu erkennen, dass wir nicht sind wie es – dass wir ihm überlegen sind in jeglicher Hinsicht …«
»Eine gefährliche Art zu denken, selbst für uns«, erklang die ruhige Stimme von Krasus. Der gesichtslose Zauberer stand urplötzlich an seinem vorbestimmten Platz.
»Ihr seid gerade noch rechtzeitig eingetroffen!« Der bärtige Zauberer wandte sich dem Neuankömmling zu. »Habt Ihr etwas herausfinden können?«
»Sehr wenig. Das Treffen war nicht abgeschirmt … doch alles, was wir in Erfahrung bringen konnten, waren oberflächliche Gedanken. Diese enthüllten uns nichts, was wir nicht ohnehin schon wussten. Ich musste schließlich auf andere Methoden zurückgreifen, um wenigstens einen gewissen Erfolg zu erzielen.«
Die jüngere Frau wagte es einzuwerfen: »Haben sie eine Entscheidung getroffen?«
Krasus zögerte, dann hob er seine behandschuhte Hand. »Seht selbst …«
Im Zentrum der Halle, unmittelbar über dem in den Boden eingelassenen Symbol, erschien eine hoch gewachsene, menschliche Gestalt. Sie wirkte vollkommen real, fast realer als die anwesenden Zauberer. Von majestätischer Haltung, gekleidet in ein elegantes dunkles Gewand und mit markanten, gut aussehenden Zügen, ließ sie die Sechs einen Moment verstummen.
»Wer ist das?«, fragte dieselbe Frau.
Krasus überblickte die anderen Angehörigen seiner Zunft, bevor er antwortete: »Hoch lebe der neue Herrscher von Alterac,
König Prestor der Erste
.«
»
Was?
«
»Das ist unerhört!«
»Das können sie nicht ohne uns entscheiden – oder?«
»Wer ist dieser Prestor?«
Rhonins Gönner zuckte mit den Schultern. »Ein kleiner Adliger aus dem Norden, besitzlos, ohne Rückhalt. Es scheint allerdings, als habe er sich nicht nur bei Terenas eingeschmeichelt, sondern auch beim Rest, Genn Greymane eingeschlossen.«
»Aber ihn gleich zum
König
machen?«, schnappte der bärtige Zauberer.
»Oberflächlich betrachtet, nicht die schlechteste Wahl. Es macht Alterac einmal mehr zu einem unabhängigen Königreich. Die anderen Monarchen respektieren ihn, wie ich hörte. Es scheint, als habe er allein die Allianz vor dem Auseinanderbrechen bewahrt.«
»Also, was haltet Ihr von ihm?«, drängte die ältere Frau.
Krasus ging darauf ein. »Er scheint obendrein ein Mann ohne Vergangenheit zu sein. Vielleicht ist das der Grund, weshalb wir von der Konferenz ausgeschlossen wurden. Das Seltsamste aber ist, er stellt eine Art
Vakuum
dar, was Magie anbelangt.«
Die anderen verfielen in Gemurmel ob dieser verstörenden Neuigkeiten. Dann erkundigte sich der Elfenzauberer, ebenso verwirrt wie der Rest: »Was meint Ihr mit Eurer letzten Bemerkung?«
»Ich meine, dass jedweder Versuch, mittels Magie mehr über ihn zu erfahren, zu
nichts
führt. Zu absolut
nichts
. Es ist, als sei Lord Prestor gar nicht existent … und doch ist er es. Was ich von ihm halte? Nun, ich denke, ich fürchte ihn.«
Aus dem Mund des ältesten der versammelten Zauberer, wogen diese Worte besonders schwer. Einige Zeit rasten die Wolken über ihren Köpfen dahin, die Stürme tobten, und der Tag wurde zur Nacht, doch die Herren der Kirin Tor standen nur schweigend da; ein jeder verarbeitete das Gehörte auf andere Weise.
Der jugendliche Magier brach als Erster die Stille. »Dann ist er ein Zauberer, nicht wahr?«
»Das erscheint am schlüssigsten«, erwiderte Krasus mit einem leichten Neigen des Kopfes, um seine Zustimmung zu unterstreichen.
»Ein mächtiger Zauberer«, murmelte der Elf.
»Ebenso schlüssig.«
»Wenn dem so ist«, fuhr der Elfenmagier fort, »um wen handelt es sich? Um einen von uns? Ist er ein Renegat? Mit Sicherheit wäre uns ein Zauberer seiner Fähigkeiten bekannt geworden!«
Die jüngere Frau beugte sich dem Abbild Prestors entgegen. »Sein Gesicht ist mir fremd.«
»Das ist kaum überraschend«, gab ihr älteres Gegenüber scharf zurück, »könnte doch schon jeder von uns tausend Masken überstreifen …«
Ein Blitz durchzuckte Krasus. Er schenkte ihm keine Beachtung. »Eine formelle Ernennung wird in zwei Wochen stattfinden. Einen Monat später wird Lord Prestor, so keiner der anderen Monarchen seine Meinung ändert, zum König gekrönt.«
»Wir sollten Protest einlegen.«
»Das ist ein Anfang. Dennoch, unsere vordringlichste Aufgabe, so denke ich, ist die Suche nach der Wahrheit über diesen Lord Prestor, die allumfassende Suche, um seine Vergangenheit zu enthüllen, seine wahren Absichten. Bis dahin
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