WoW 06 - KdA 1 - Die Quelle der Ewigkeit
mit offenem Mund starren – wie ein staunendes Menschenkind. Es war ein imposanter Anblick.
»Ich kenne Euch …«, begann Krasus. »Ich kenne Euch …«
Doch der Name, wie so viele andere Erinnerungen, wollte sich ihm nicht offenbaren. Er konnte nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob er diesem mythischen Wesen schon einmal begegnet war, und das sagte viel über das Ausmaß der Lücken in seinem Geist aus.
»Ich kenne Euch nicht«, sprach die hoch aufragende Gestalt, deren Rumpf einem Nachtelfen glich, während die untere Hälfte die eines Hirsches war. »Aber ich muss sagen, Ihr habt meine Neugier geweckt …«
Auf vier starken Beinen schritt das majestätische Geschöpf durch die Mauer der Blumen, die ihm den Weg frei machten, wie treue Hunde es für ihren Herrn getan hätten. Einige der Blüten und Gräser streichelten sogar sanft und liebevoll seine Beine.
»Ich bin Cenarius …«, stellte er sich der um einiges schmächtigeren Gestalt vor, die vor ihm saß. »Dies ist mein Reich.«
Cenarius … Cenarius … Fetzen von Erinnerungen flatterten wie Lumpen im Wind durch Krasus' angegriffenen Geist. Ein paar schlugen Wurzeln, doch die meisten lösten sich einfach in Nichts auf. Cenarius. Von dem die Elfen und anderen Waldbewohner erzählten. Kein Gott, aber … fast. Also ein Halbgott. Auf seine eigene Art so stark wie die Großen Aspekte.
Allein, da war mehr, noch so viel mehr. Doch, so sehr er sich auch anstrengte, der Drachenmagier bekam nichts davon zu fassen.
Seine Bemühungen mussten sich auf seinem Gesicht abzeichnen, denn Cenarius' strenge Züge wurden etwas freundlicher. »Es geht Euch nicht gut, Reisender. Vielleicht solltet Ihr noch ein wenig länger ausruhen.«
»Nein.« Krasus zwang sich auf die Beine und stand hoch und aufrecht vor dem Halbgott. »Nein … ich möchte jetzt sprechen.«
»Wie Ihr wünscht.« Die Gottheit mit dem riesigen Geweih legte ihren bärtigen Kopf auf die Seite und studierte den Gast. »Ihr seid mehr als Ihr zu sein scheint, Reisender. Ich erkenne Spuren von Nachtelf in Euch, doch da ist noch mehr, viel mehr. Ihr erinnert mich fast an … aber nein, das ist nicht sehr wahrscheinlich.« Die riesige Gestalt zeigte auf Rhonin. »Und er dort ist anders als jedes Geschöpf, das man innerhalb und außerhalb meines Reiches antrifft.«
»Wir kommen von weit her und haben uns, um ehrlich zu sein, verirrt, großer Cenarius. Wir wissen nicht, wo wir sind.«
Zur Überraschung des Magiers rief dieser Satz ein tiefes, donnerndes Lachen in der gewaltigen Brust des Halbgottes hervor. Cenarius' Heiterkeit brachte noch mehr Blumen zum Erblühen, rief Singvögel in die Zweige der Bäume, die die Lichtung umstanden, und beschwor eine weiche Frühlingsbrise, die Krasus' Wange streichelte wie eine Geliebte.
»Dann habt Ihr Euch
tatsächlich
mächtig verlaufen! Wo
könntet
Ihr wohl sein, mein Freund? Wo sonst könntet Ihr sein als in
Kalimdor
?«
Kalimdor. Das zumindest machte Sinn. Wo sonst würde man Nachtelfen in solcher Anzahl antreffen? Aber die Erklärung des Waldherren beantwortete nur ein paar wenige von Krasus' vielen Fragen. »So nahm ich es auch an, hoher Herr, doch –«
»Ich spürte eine beunruhigende Veränderung in der Welt«, unterbrach ihn Cenarius. »Ein Ungleichgewicht, eine Verschiebung, eine …
Falschheit.
Ich suchte ihren Ursprung auf … und obwohl ich keine Antworten auf meine Fragen fand … so fand ich dort eine Spur, die mich zu Euch und Eurem Begleiter führte.« Er trat ein weiteres Mal an Krasus vorbei, um den schlafenden Rhonin zu mustern. »Zwei Wanderer von Nirgendwo. Zwei verlorene Seelen aus dem Nichts. Zwei Rätsel, von denen mir lieber wäre, es hätte sie niemals gegeben.«
»Und doch habt Ihr uns aus der Gefangenschaft befreit …«
Der Waldherr gab ein Schnauben von sich, das des stärksten Hirsches würdig gewesen wäre. »Die Nachtelfen werden immer arroganter. Sie nehmen sich, was ihnen nicht gehört. Sie gehen dort hin, wo man sie nicht haben will. Sie glauben, dass alles unter ihre Herrschaft fällt. Obwohl sie nicht wirklich in mein Reich eingedrungen waren, entschied ich mich, sie hierher zu locken, um ihnen eine Lektion in Sachen Demut und Manieren zu erteilen.« Er lächelte grimmig. »Und sie machten es mir einfacher, indem sie das, was ich wünschte, direkt hierher brachten.«
Krasus fühlte, wie seine Beine unter ihm nachgeben wollten. Die Anstrengung des Stehens erwies sich als enorm. Doch er war entschlossen, seiner Schwäche
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