WoW 11 - Jenseits des Dunklen Portals
jemanden vom Klan der zerschmetterten Hand ein Problem. Doch ehrenvoll zu sterben, war eine Sache, es grundlos zu tun, eine ganz andere. Und Ner'zhul und die anderen wehrlos der Allianz zu überlassen, entehrte ihn und seinen ganzen Klan. Selbst wenn sie dabei ihr Leben verloren.
Deshalb hatte Kargath, als er merkte, dass die Allianz die Zitadelle eroberte, die restlichen Krieger versammelt und war zum Schwarzen Tempel aufgebrochen. Er konnte allerdings weniger Krieger um sich scharen als erhofft, und viele waren noch dazu so schwer verwundet, dass sie nicht einmal die erste Nacht überstanden.
Jetzt waren nur noch eine Handvoll Orcs übrig geblieben, und kein Einziger von ihnen war unverletzt.
Er marschierte weiter, nur unterbewusst nahm er die Landschaft um sich herum wahr. Der größte Teil Draenors glich der Höllenfeuerhalbinsel, überall nur aufgeplatzter roter Boden und öde Flächen.
Warum war dann hier aber noch alles grün? Üppiges Gras federte seine Schritte ab, Büsche und hohe Bäume prägten das Bild der Umgebung. Nagrand war ganz eindeutig nicht von derselben Trostlosigkeit überschattet wie der Rest der Welt. Nur – warum?
Es war nicht ohne Ironie: Der grünste und gesündeste Bereich Draenors war ausgerechnet die Heimat der kranken und schwachen Orcs.
Als er den kleinen Hügel bestieg, sah Kargath das Dorf vor sich liegen. Die soliden Mauern, die überdachten Hütten und die Vorbauten aus Brettern wirkten wie in den meisten Orc-Dörfern, einschließlich seinem eigenen. Eine Sekunde lang gab sich Kargath der Vorstellung hin, dass er seine Krieger hierher führte, die bisherigen Bewohner vertrieb und das Dorf in Besitz nahm. Sie hätten den Krieg vorbeiziehen lassen können.
Ner'zhul erwartete ohnehin nicht, irgendeinen von ihnen jemals wiederzusehen. Deshalb wäre er wohl auch nicht überrascht, wenn sie niemals auftauchten. Sie konnten die Horde in andere Welten vordringen lassen und sich selbst hier niederlassen, Vieh hüten, Felder bestellen und, wenn der alte Blutrausch sie erneut überkam, Tiere des Waldes jagen.
Aber nein!, schalt sich Kargath. Er hatte den Eid geschworen, für die Horde zu kämpfen. Wie konnte er weiterleben oder einem seiner Krieger noch in die Augen schauen, wenn er dafür nicht alles gab? Außerdem dachte er schaudernd, das Dorf zu erobern, hieße gegen die jetzigen Bewohner zu kämpfen. Und er glaubte nicht, dass einer seiner Krieger dazu derzeit in der Lage war.
Vorsichtig näherte sich Kargath dem Dorf. Er bemerkte ein paar Orcs, die sich träge bewegten, braune Flecken in ihrer grünen Umgebung. Aber sie hatten ihn noch nicht entdeckt. Als er noch gut dreißig Meter entfernt war, blieb er stehen.
»Geyah!«, rief er und musste husten, weil das Luftholen ihm wegen seiner Verletzung schwerfiel. »Großmutter Geyah!«
Die Orcs, die ihm schon vorher aufgefallen waren, sahen auf. Zuerst waren sie erschreckt, dann verschwanden sie in der nächstgelegenen Hütte. Hoffentlich holten sie Geyah, überlegte Kargath bitter. Er bezweifelte, dass er noch Kraft für einen zweiten Ruf hatte.
Einen Moment später raschelten die Vorhänge vor einer der Hütten und wurden zur Seite gezogen. Großmutter Geyah trat heraus und stapfte ihm entgegen. Sie kniff die Augen gegen das Sonnenlicht zusammen.
»Wer ist da?«, rief sie, ihre Stimme klang so energisch wie immer.
»Kargath Messerfaust, Häuptling vom Klan der zerschmetterten Hand«, antwortete er und zwang sich, aufrecht zu stehen, während sie näherkam.
»Kargath, also? Ich habe dich seit Jahren nicht mehr gesehen«, meinte Geyah. Sie blieb auf halbem Weg zwischen ihm und den Hütten stehen und sah ihn an. Ihre Augen waren immer noch violett, bemerkte Kargath, und ihr langes Haar immer noch dicht, wenn auch grau durchwirkt. Sie sah nicht krank aus, aber ungeduldig. Und ihre Lippen umspielte etwas wie... Abscheu. »Was willst du hier?«, wollte sie wissen und bestätigte seinen Eindruck.
»Die Armee der Allianz ist nach Draenor einmarschiert«, berichtete Kargath. Sein Sinn für Dringlichkeit kämpfte mit dem Respekt vor dem Alter, der ihm von frühester Jugend an eingebläut worden war. »Sie haben die Höllenfeuerzitadelle eingenommen und marschieren schon bald zum Schwarzen Tempel.«
»Und was geht mich das an?«, fragte Geyah. »Beide Orte sind Monumente des Krieges. Wir sind besser dran ohne sie.«
»Ich brauche Krieger«, erklärte Kargath und hoffte, dass er zuversichtlich und fordernd klang, nicht verzweifelt.
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