WoW 12 - Die Nacht des Drachen
wandeln. Er hatte es bereits mehrfach heimlich versucht, und die einzige Erklärung für das Versagen war, dass sein unwirklicher neuer »Freund« Kalecs Fähigkeiten unterdrückte.
Dann wurde ihm bewusst, dass Dargonax sicherlich erst wenige Tage alt war, im höchsten Fall ein paar Wochen. Wie schrecklich würde er erst werden, wenn er weiter reifte? Aber musste er das überhaupt? Die Bestie wirkte bereits immens groß.
Krasus hatte Kalec davor gewarnt, auch nur zum Schein auf das Angebot des Blutelfs einzugehen. Und er hätte sicherlich auch etwas dagegen gehabt, dasselbe hier zu tun. Doch der blaue Drache bezweifelte, dass ihm eine andere Wahl blieb. Dargonax hatte ihn überhaupt erst hierher gebracht. Und der einzige Grund, warum dieses Monster Kalec nicht bereits verschlungen hatte, war, dass es ihn offenbar wirklich brauchte.
Die Frage war nur, wofür?
»Ja«, antwortete der blaue Drache schließlich. »Wir sollten Freunde sein.«
»Gut... gut... und Freunde helfen Freunden, oder? Stimmt das?«
Für ein Wesen, das wahrscheinlich noch nie aus der Grube herausgekommen war, kannte Dargonax die Feinheiten des Lebens bereits sehr genau. Sinestra hatte ein wahres Monster erschaffen.
»Freunde helfen Freunden«, stimmte er zu. »Sie helfen sich
gegenseitig.«
»Das tun sie...« Dargonax unterbrach sich. Sehr zu Kalecs Schrecken erklang Dargonax' Stimme plötzlich in seinem Kopf.
Sie kommt! Sei ruhig, sei still!
Obwohl ihn Dargonax' Fähigkeit, durch seinen Geist zu ihm zu sprechen, verblüffte, gehorchte Kalec. Er musste nicht fragen, wen die Kreatur meinte.
Seit Anveenas Opfer war Kalec zu sorglos geworden, wenn es um sein Leben ging. Doch ihm war Pflichterfüllung immer noch sehr wichtig. Er würde Malygos keinen guten Dienst erweisen, wenn Sinestra merkte, dass er überlebt hatte. Der blaue Drache drückte sich gegen die Wand und versuchte, den Schild zu errichten, den er zuvor schon benutzt hatte.
Doch nichts geschah.
Dann spürte er, wie ein Flügel ihn bedeckte. Kalec blieb im Schatten verborgen... einem Schatten, mit einem Hauch von Amethyst darin.
Kaum einen Atemzug später hörte er Sinestra – und jemand anderen.
»Er
ist entkommen«, zischte sie ihrem Begleiter zu.
»Euer alter Freund?« Das war die Stimme des Blutelfs. »Aus der Chrysalun-Kammer? Wie ist das möglich? Es sei denn, sein Begleiter hätte überlebt. Vielleicht hat er ihn herausgelassen?«
Kalec verzog das Gesicht, gefangen zwischen Hoffnung und Sorge. Er vermutete, dass sie von Krasus sprachen, was bedeutete, dass der rote Drache der Chrysalun-Kammer irgendwie entkommen war.
Das war das Positive. Doch jetzt hatte Zendarin durch seine falsche Schlussfolgerung Sinestra daraufgebracht, dass der blaue Drache überlebt haben könnte.
»Dargonax hat ihn gefressen«, antwortete Sinestra. Dennoch schwang ein Hauch von Zweifel in ihrer Stimme mit. »Außerdem wurde die Kammer von innen her zerstört.«
»Davon habe ich noch nie gehört. Wie soll er das geschafft haben?«
»Er ist eben einzigartig. So macht er das Unmögliche wahr! Unterschätze ihn nicht, mein lieber Zendarin. Leute wie er bereiten mir wirklich Sorgen.«
»Dennoch habt Ihr ihn hierher gebracht.«
»Er wäre auf jeden Fall gekommen«, antwortete sie. »Es kommt
immer.
Er mischt sich
immer
ein. Das ist seine Natur. Die beste Art, damit umzugehen, war, ihm durch mein Drängen meine Bedingungen zu diktieren.« Sie machte erneut eine Pause. »Er muss jetzt schwächer sein, und so, wie ich ihn kenne, ist er geflohen. Er weiß, wohin er muss. Ich will, dass Ihr Euer Haustier hinter ihm herschickt...«
»Das werde ich tun, Milady, nur hat dieses verdammte Biest schon auf meine früheren Rufe nicht reagiert. Zuletzt war es in der Nähe des Netherdrachen. Seitdem...
nichts mehr.«
Sinestra stieß ein langes, wütendes Zischen aus. »Wie schlau! Korialstrasz muss herumgeschlichen sein und versucht haben, den Netherdrachen zu befreien! Geh! Such deinen Magiertöter!«
Kalec hörte nicht, wie der Blutelf ging. Er nahm aber an, dass Zendarin so klug war, ihr zu gehorchen. Der blaue Drache wollte etwas sagen, doch dann spürte er, dass Dargonax das nicht wollte.
»Mein liebes Kind«, gurrte Sinestra in einem Tonfall, der dem blauen Drachen das Blut in den Adern stocken ließ. Ihre Wut war jetzt einer boshaften Zuversicht gewichen. Es schien, als wäre sie von einem Augenblick auf den nächsten ein völlig anderes Wesen geworden. »Komm zu mir, mein liebes
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