Wozu wollen Sie das wissen?
erst kam ein großes, mit Mais oder Hafer bestelltes Feld, dann der Wald und die Flussniederung, die sich zu der großen, verborgenen Biegung des Flusses senkte, und dahinter das Muster sich überschneidender kahler oder bewaldeter Hügel. Es kam sehr selten vor, dass man in unserer dicht besiedelten Gegend so weit in unbebautes, für die Phantasie daher verführerisches Land schauen konnte.
Wenn wir zusammensaßen und diese Aussicht genossen, dann drehte mein Vater sich eine Zigarette und rauchte sie, und meine Großmutter unterhielt sich mit ihm über die alten Zeiten auf der Farm, über die alten Nachbarn und komische – das heißt, seltsame und lustige – Begebenheiten. Die Abwesenheit meiner Mutter brachte einen gewissen Frieden – nicht nur zwischen ihnen, sondern für uns alle. Ein wachsamer und strebsamer Unterton war fort. Ein Beiklang von Ehrgeiz, Selbstachtung, vielleicht sogar von Unzufriedenheit war nicht da. Zu jener Zeit wusste ich nicht genau, was eigentlich fehlte. Ich wusste auch nicht, welch ein Verlust – und keineswegs nur eine Erleichterung – es für mich sein würde, wenn das für immer fort war.
Meine jüngeren Geschwister piesackten meine Großmutter, um ihr ins Fenster schauen zu dürfen. Meine Großmutter hatte haselnussbraune Augen, aber in einem war ein großer Fleck, der fast ein Drittel der Iris einnahm, und dieser Fleck war blau. Also hieß es, dass ihre Augen zweifarbig waren, was eigentlich nicht ganz stimmte. Wir nannten den blauen Fleck ihr Fenster. Sie tat, als wäre sie böse, wenn sie gebeten wurde, es zu zeigen, sie senkte den Kopf und wehrte jeden ab, der hineinzuschauen versuchte, oder sie kniff die Augen zu und öffnete das rein braune einen Spalt breit, um zu sehen, ob sie immer noch beobachtet wurde. Am Ende wurde sie immer erwischt und fügte sich darein, stillzusitzen und die Augen weit offen zu halten, damit man in sie hineinschauen konnte. Das Blau war ganz klar, ohne einen Tupfen irgendeiner anderen Farbe darin, ein Blau, strahlender durch das bräunliche Gelb an seinen Rändern, wie der Sommerhimmel durch die Wattewolken.
Es war schon Abend, als mein Vater in die Hotelauffahrt bog. Wir fuhren zwischen zwei Torpfosten hindurch, und da lag es vor uns – ein langgestrecktes Gebäude aus Stein mit Giebeln und einer weißen Veranda. Hängende Töpfe, die von Blumen überflossen. Wir verpassten die Abzweigung zum Parkplatz und folgten der halbkreisförmigen Auffahrt, die uns vor die Veranda brachte, vorbei an den Leuten, die dort auf Hollywoodschaukeln und Schaukelstühlen saßen, mit nichts zu tun als uns anzuschauen, wie mein Vater sagte.
Nichts zu tun als zu glotzen
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Wir entdeckten das unauffällige Schild und fanden den Weg auf eine Kiesfläche neben dem Tennisplatz. Wir stiegen aus dem Auto. Es war mit Staub bedeckt und sah zwischen den anderen Wagen dort aus wie ein plebejischer Eindringling.
Wir waren den ganzen Tag lang mit heruntergelassenen Fenstern gefahren, und ein heißer Wind war hereingeweht und hatte meine Haare verwuschelt und ausgetrocknet. Mein Vater sah, dass etwas an mir nicht stimmte, und fragte mich, ob ich einen Kamm hätte. Ich kletterte ins Auto und suchte danach, fand ihn schließlich in der Spalte zwischen Sitz und Rücklehne. Er war schmutzig, und einige Zähne fehlten. Ich probierte es immer wieder, und er sagte schließlich: »Vielleicht, wenn du sie einfach hinter die Ohren zurückschiebst.« Dann kämmte er sich selbst die Haare, stirnrunzelnd beugte er sich dabei zum Rückspiegel des Autos hinunter. Wir gingen über den Kies, wobei mein Vater sich laut fragte, ob wir den Vorder- oder den Hintereingang nehmen sollten. Er schien zu denken, dass ich eine zweckdienliche Meinung dazu haben würde – etwas, was er bislang unter keinen Umständen gedacht hatte. Ich sagte, wir sollten den Vordereingang nehmen, denn ich wollte noch einen Blick auf den Seerosenteich und den Rasen in der halbkreisförmigen Auffahrt werfen. Dort stand die Statue eines Mädchens in einer eng um die Brüste drapierten Tunika, das einen Wasserkrug auf der bloßen Schulter trug – eine der anmutigsten Figuren, die ich je gesehen hatte.
»Spießrutenlaufen«, sagte mein Vater leise, und wir gingen die Stufen hinauf und überquerten die Veranda vor all den Leuten, die so taten, als starrten sie uns nicht an. Wir betraten die Empfangshalle, wo es so dunkel war, dass kleine Lampen brannten, kleine Mattglaskugeln hoch oben am dunklen, glänzenden
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