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Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Stadt bildeten, und um die Stadt herum stand ein hoher Schutzzaun. In jedem Käfig gab es eine Hütte – eine große Holzkiste mit Luftlöchern und schrägem Deckel, der sich hochheben ließ. Und auf einer Seite des Käfigs erstreckte sich eine hölzerne Rampe, um dem Fuchs Auslauf zu bieten. Weil all das zu verschiedenen Zeiten gebaut und nicht von vornherein geplant worden war, gab es all die Unterschiede einer richtigen Stadt – da waren breite Straßen und schmale Straßen, geräumige, altmodische Käfige auf dem Erdboden und kleinere, modernere Käfige mit Drahtboden, kärglicher bemessen, wenn auch hygienischer. Es gab zwei langgestreckte Mietskasernen, genannt »die Ställe«. Die Neuen Ställe hatten einen überdachten Mittelgang zwischen zwei Reihen von Käfigen mit schrägen Holzdächern und hohen Drahtböden. Die Alten Ställe bestanden nur aus einer Reihe hintereinander liegender, ziemlich primitiv zusammengeflickter Käfige. Die Neuen Ställe waren ein höllisch lauter Ort voller Halbwüchsiger, von denen die meisten – noch bevor sie ein Jahr alt waren – gehäutet werden sollten. Die Alten Ställe waren ein Elendsviertel und beherbergten enttäuschende Zuchttiere, denen nicht noch ein Jahr gegeben wurde, einen gelegentlichen Krüppel und sogar, eine Zeit lang, eine rote Füchsin, die zutraulich und fast ein Haustier war. Entweder wegen ihrer Zutraulichkeit oder ihrer Farbe wurde sie von allen anderen Füchsen gemieden, und ihr Name – denn sie hatten alle Namen – war Alte Jungfer. Wie sie dahingelangt war, weiß ich nicht. Eine Fehlfarbe in einem Wurf? Ein wilder Fuchs, der sich in der falschen Richtung unter dem Schutzzaun durchgewühlt hatte?
    Wenn unsere Wiese gemäht worden war, wurde etwas von dem Heu auf den Käfigen ausgebreitet, um die Füchse vor der Sonne zu schützen, damit ihr Fell nicht braun wurde. Sie sahen im Sommer ohnehin sehr heruntergekommen aus, ihr Winterfell fiel aus und das neue wuchs gerade erst. Im November waren sie prächtig, mit schneeweißen Schwanzspitzen und dichtem, schwarzem Rückenfell mit silbernen Deckhaaren. Reif zum Schlachten – es sei denn, sie sollten zur Züchtung weiterdienen. Ihre Häute wurden gereinigt, gestreckt, zum Gerben fortgegeben und dann zu Versteigerungen geschickt.
    Bis dahin hatte mein Vater alles unter Kontrolle, mit Ausnahme von Krankheiten oder den Zufällen des Züchtens. Alles war sein Werk – die Käfige, die Kisten, wo die Füchse sich verstecken oder ihre Jungen werfen konnten, die Wassernäpfe aus Konservendosen, die sich von draußen kippen ließen und zweimal am Tag mit frischem Wasser gefüllt wurden, der Tank, der durch die Straßen gekarrt wurde und Wasser aus der Pumpe enthielt, der Futtertrog in der Scheune, in dem Schrot und Wasser mit durchgedrehtem Pferdefleisch vermischt wurden, die Tötungskiste, wo der Kopf des gefangenen Tieres mit Chloroform begast wurde. Dann, sobald die Felle getrocknet und gereinigt und von den Streckbrettern abgezogen worden waren, stand nichts mehr unter seiner Kontrolle. Die Felle wurden flach in Versandkartons gelegt und nach Montreal geschickt, danach gab es nichts weiter zu tun als abzuwarten, wie sie eingestuft und auf den Pelzauktionen verkauft wurden. Daraus ergab sich das gesamte Jahreseinkommen, das Geld, um die Futterrechnung zu bezahlen, das Geld, das er der Bank zahlen musste, das Geld, mit dem er das Darlehen zurückzahlen musste, das ihm seine Mutter gewährt hatte, nachdem sie verwitwet war, alles musste davon bestritten werden. In manchen Jahren war der Preis von Fellen recht gut, in manchen Jahren nicht allzu schlecht, in anderen schrecklich. Obwohl niemand das zu jener Zeit erkennen konnte, war er in Wahrheit ein wenig zu spät in das Geschäft eingestiegen und ohne genug Startkapital, um in den ersten Jahren, als die Profite hoch waren, groß loszulegen. Kaum dass er richtig angefangen hatte, kam schon die Weltwirtschaftskrise. Die Auswirkungen auf sein Geschäft waren unterschiedlich, nicht so gleichbleibend schlecht, wie man denken sollte. In manchen Jahren verdiente er ein wenig mehr, als er auf der Farm erwirtschaftet hätte, aber es gab mehr schlechte Jahre als gute. Die Lage wurde mit dem Beginn des Krieges kaum besser – 1940 waren die Preise sogar so schlecht wie nur je. Während der Weltwirtschaftskrise waren schlechte Preise nicht so schwer zu verkraften gewesen – er hatte sich umschauen und sehen können, dass fast jeder im selben Boot saß, aber

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