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müßte ich wohl reinkommen.“
Mit einer einladenden Geste
sagte er:
„Treten Sie ein. Fühlen Sie
sich wie zu Hause.“
Er ging in das Zimmer, in dem
das Klavier stand. Außer dem Instrument standen noch zwei Stühle, ein Sessel
und ein Sofa in den Raum. Ziemlich schäbig. Die Lampe auf dem Kla vier hatte einen hübschen Schirm.
Neben ihr lag Notenpapier, das mit Noten wie mit Fliegenbeinchen und
Fliegendreck übersät war. Lécuyer knipste die Deckenlampe an. Fragend hob er
die Augenbrauen.
„Sie möchten mich interviewen?“
„Wegen Gil Andréa“, sagte ich.
„Sie sind doch Freunde, oder?“
Er lachte laut auf:
„Vor allen Dingen sind wir
Freunde! Wenn Sie ihn zum Beispiel in die Seine werfen, wissen Sie, was ich
dann mach?“
„Sie tauchen.“
„Genau. Mit einem dicken
Ziegelstein in der Hand. Damit zieh ich ihm eins über den Schädel...Setzen Sie
sich, mein Lieber, Sie haben’s verdient.“
Ich setzte mich. Er ließ sich
aufs Sofa fallen.
„Mein Lieber“, fuhr er fort,
„ich weiß, was los ist. Man hat Sie reingelegt. Sind bestimmt neu bei Ihrem
Blättchen. ,Geh zu Lécuyer’, hat man Ihnen gesagt. ,Der wird dir wüste
Geschichten über Gil Andréa erzählen. Das gibt ‘n Bombenartikel.’ Ich bin
nämlich bekannt in den Redaktionen. Also, wüste Geschichten kann ich Ihnen wohl
erzählen. Aber Ihr Artikel wird nie gedruckt. Seitdem ich etwas über Gil Andréa
schreiben lassen will, weiß ich Bescheid. Es fällt unter den Tisch mein Lieber,
einfach unter den Tisch. Und Ihr Artikel ebenso. Übrigens, für welche Zeitung
schreiben Sie?“
„Die Zeitung gibt es noch
nicht. Wird in zwei Wochen zum ersten Mal erscheinen. Unsere Zeitung wird das
schreiben, worüber die andern nicht sprechen.“
„Ihr Name?“
„Nestor Burma.“
Ich war entschlossen, aufs
Ganze zu gehen. Pech, wenn er mich als Detektiv kannte. Ich würde es schon
wieder hinbiegen. Er witterte nichts. Ich hatte seine Frage falsch verstanden.
„Ich meine die Zeitung.“
„Ach so! La rumeur de Paris …“
Ich zwinkerte ihm zu:
„... La Rumeur, wie das gute alte Revolverblatt des guten alten Georges Anquetil.“
Er raufte sich die Löwenmähne.
Dank der reichlich weißen Haare kapierte er die Anspielung.
„Das ist natürlich was anderes.
Und Sie heißen Nestor Burma?“
„Ja. Kennen Sie mich?“
„Nein...“
Genau und ohne Eitelkeit
besehen, war mir das auch lieber. Lachend fügte er hinzu:
„Kannten Sie denn Lécuyer?“
„Hab von Ihnen gehört.“
„Klar, sonst wären Sie nicht
hier. Aber hatten Sie vorher schon mal meinen Namen gehört?“
„Offen gesagt, nein.“
„Natürlich“, seufzte er bitter.
„Aber trotzdem... Ta robe de
Robinson? “
Ein Glück, daß ich am Abend
zuvor im Palais de Cristal gewesen war. So konnte ich mitreden. Ta robe de Robinson war ein Lied
von Gil Andréa, das er auch selbst geschrieben hatte. Ich hielt mit meinem
Wissen nicht hinterm Berg. Lécuyer hob die Hand.
„Irrtum, alter Freund. Text und
Musik von meiner Wenigkeit. Ta robe
de Robinson. Das Lied hab ich ihm zugeschoben, als er anfing. Gehört
immer noch zu seinem Repertoire; wird auch noch lange dazugehören. Ein toller
Erfolg. Hätte mir Millionen einbringen können. Aber ich hatte Vertrauen zu Gil,
nicht zu meinem Lied. Und abgebrannt, wie ich war, hab ich ihm das Ding für ein
Butterbrot verkauft. Alle meine Rechte hab ich abgetreten. Wenn man blank ist,
macht man eben Dummheiten. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen...“
„Oh ja, leider!“
„Gut. Dann verstehen Sie das ja.
Und er hat kassiert, sage ich Ihnen, nur durch seinen Anteil an dem Verkauf der
Platten und der Veröffentlichung des Liedes. Mich tröstet nur, daß er keinen
Pfennig an den Autorenrechten verdient hat. Dafür müßte er nämlich in der
S.A.C.E.M. sein. Aber dann kann man nicht einfach behaupten, daß man Lieder
geschrieben hat, Texte, Musik...“
„Man muß es beweisen, ich
weiß“, sagte ich. „Eine richtige Prüfung... Man tritt einer Loge bei, nicht
wahr?“
„Genau. Gil Andréa hat es nicht
einmal versucht. Nun hat das bekannte Robe de Robinson ihm zwar nicht soviel Moos eingebracht, wie
es ihm hätte einbringen können. Aber immerhin hat er ganz schön daran
verdient... und ist dadurch bekannt geworden... Aber ich war bei dem Geschäft
der Dumme. Ich hab das schon vielen Ihrer Kollegen erzählt. Nicht die Spur
eines Echos in der Presse. Bei Ihnen wird es genauso sein, mein Lieber...“
Da täuschte er sich nicht.
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