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Ich
konnte doch nicht nur ihm zuliebe diese ausgedachte Rumeur de Paris gründen. Trotzdem deutete ich so etwas wie
Protest an. Er fuhr fort:
„Es wird genauso sein. Ich weiß
doch, wie der Hase läuft. Die Unabhängigkeit hört da auf, wo die
Anzeigenverträge beginnen. Pah! Ist mir doch scheißegal. Ich bin schon wie ‘ne
richtige Scheibe. Dreh mich um die eigene Achse. Hab aber das Gefühl, es geht
mit mir bergauf. Euch werde ich alles auftischen, auch wenn nichts dabei
rauskommt. Nur oft genug dem einen oder andern was in die Tasche erzählen. Zum
Schluß werden es alle wissen: Gil Andréa ist ein Schwein! Und vielleicht findet
sich dann ein Journalist, der keinen Schiß hat und meine Geschichte
abdruckt...“
„Da können Sie ganz sicher
sein.“
„Hm... Na ja... Der soll mir
bloß keinen Prozeß wegen Verleumdung anhängen, der Gilet. Sonst kann er was
erleben. Soll sich nicht unterstehen! Was ich sage, ist wahr. Ich hab keine
Angst vor ihm. Außerdem hab ich nichts zu verlieren bei dem ganzen Gerangel. Na
gut...“
Er stand vom Sofa auf und
wälzte sich bis zum Klavier. Unter dem Wust von Notenpapier zog er eine
Schachtel Gauloises hervor und hielt sie mir hin.
„Nein danke“, sagte ich. „Ich
rauch lieber meine Pfeife.“
Und nahm sie aus der Tasche.
„Wie Sie möchten, mein
Lieber...“
Er selbst nahm sich eine
Zigarette.
„...Reden macht durstig.
Trinken wir was. In der Küche steht Pastis rum. Mögen Sie so was?“
Ich mochte so was. Er holte das
Nötige und goß uns ein.
„Auf daß er an seinem nächsten
Apéritif erstickt“, wünschte er, das Glas in der Hand.
Er stürzte den Inhalt hinunter
und stellte das Glas aufs Klavier. Dann beugte er sich auf dem Klavierhocker
nach hinten und stützte die Ellbogen auf die Tastatur. Im Innern des
Instrumentes grollte es.
„Ja, er hat dieses Robe de Robinson von mir geklaut.
Sicher, ich hab’s ihm verkauft, aber bei dem Erfolg hätte er was rüberkommen
lassen müssen. Aber nichts! Und nicht nur, daß nichts rüberkam, er hat mich
auch noch fallengelassen. Wo er doch so schnell Karriere gemacht hat — zu den
eigenartigen Begleitumständen komm ich gleich — , hätte er mich als Texter
behalten oder wenigstens zwei oder drei Lieder von mir nehmen können. Aber
denkste! Er hat andere genommen. Vielleicht um das eine oder andere von ihnen
zu klauen.“
„Ja, ja“, sagte ich und stellte
mein Glas ab. „Ein Lied klauen, eine Melodie, eine Strophe, das ist zwar nicht
grade erfreulich, einverstanden, aber das gibt noch keinen großen Skandal her.
Solche kleinen Gaunereien sind doch mehr oder weniger an der Tagesordnung.
Klar, daß die Journalisten Ihre Geschichten nicht genommen haben. Für sie war
das Klatsch und Tratsch, nicht mal sehr spektakulär. Für die Rumeur de Paris wäre nur ein
Skandal interessant, der auch einer ist.“
„So? Gut...“
Sein dicker Finger zeigte zur
Decke.
„...Janine Dolmet. Achtzehn
Jahre. Wohnte hier über mir, bei ihren Eltern. Sie ist aus dem Fenster
gesprungen.“
„Die Geschichte kenn ich. Sie
ist aus dem Fenster gesprungen, Sie sagen es. Nicht er hat sie
rausgeschmissen.“
„Moralisch gesehen doch. Ich
hab versucht, das den Dolmets begreiflich zu machen. Aber genauso gut hätte ich
gegen die Wand reden können.“
Er strich leicht über die
Tasten. Es ergaben sich harmonische Klänge.’
„Erzählen Sie mir mal alles,
was Sie über dieses Mädchen und Gil Andréa wissen“, schlug ich vor. „Vielleicht
findet sich da was für mich.“
Er ließ sich nicht lange
bitten. Aber ich erfuhr nichts Sensationelles. Leider konnte ich auch nicht
rauskriegen, ob er sonst irgendetwas gegen den beliebten Sänger unternahm oder
nicht. Der Haß stand ihm im Gesicht geschrieben, aber wie weit würde er gehen?
Es genügte ihm, seinen Haß auszuspucken. Ich hatte das Gefühl, meine Zeit zu
vergeuden, was auf meinem Gesicht zu lesen sein mußte. Der dicke Komponist
schlug mit der Faust auf die Tasten.
„Jaja“, knurrte er, von Donner
begleitet. „Ich komm mit Ihnen genausowenig weiter wie mit Ihren Kollegen.
Scheint Sie nicht gerade vom Hocker zu reißen, was ich Ihnen da erzähle, hm?“
„Ist etwas mager.“
Er zuckte die Achseln und goß
sich Pastis nach.
„Ich kann nichts dazu erfingen.
Wie ich dieses Schwein hasse! Aber ich kann nichts erfinden, Herrgott nochmal! Die
Tatsachen müssen doch genügen. Die sind widerlich genug. Wissen Sie, wie er es
angestellt hat, Karriere zu machen? Das müßte
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