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Titel: wsmt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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denen in die Lehre gegangen. Daß Hélène
in Begleitung war, störte ihn überhaupt nicht. Als wir an seinem Tischchen
vorbeigingen, stand er auf und grüßte lächelnd.
    „Guten Abend, Mademoiselle“,
säuselte er.
    Hélène tat so, als säh und
hörte sie nichts, ging vorbei wie die beleidigte Königin von Saba. War schon
ziemlich komisch. Als ich draußen war, drehte ich mich um. Er stand immer noch
da, lächelnd, so als wär’s ihm egal, wenn man ihn beleidigt, als machte er sich
noch darüber lustig. Als wollte er sagen: „Ich versuch hundertmal mein Glück, kassiere
neunundneunzig Körbe. Aber einmal krieg ich, was ich will.“ Sympathisch? Na ja.
Er gehörte zu den Typen, die unter Liebe wirklich nur den Kontakt zweier Körper
verstehen, sonst nichts. Bei denen sich das Herz in der Hose befindet. Die ich
nicht mag. Jetzt beglückwünschte ich mich zu Hélènes Entscheidung. Diese Gin
hatte uns bei unseren Nachforschungen schon genug geholfen.
    Draußen nieselte es.
    Wir gingen zu meinem Wagen. Ich
nahm meinen Regenmantel raus und begleitete Hélène zur Metrostation Strasbourg-Saint-Denis.
Sie ging die Treppe runter und ich, Pfeife im Mund, eilte alleine zum Faubourg
Saint-Martin.
    Das dreistöckige Haus befand
sich fast direkt neben dem legendären Casino. In Höhe der ersten Etage ragte
ein Ladenschild hervor. Es war ganz kaputt, so als hätte es vor kurzem einen
Schlag abgekriegt. Ich wußte nicht, ob Janine sich auf die Straße oder auf den
Innenhof gestürzt hatte. War sie vorne rausgefallen, dann war sie
möglicherweise gegen das Schild gestoßen. Diesem Nestor Burma entgeht aber auch
nichts! Ein vorzüglicher Spürhund. Mit oder ohne Ladenschild, das hatte ihren
Fall nicht aufhalten können. Janine war tot.
    Ich fragte die Concierge, in
welcher Etage die Eltern wohnten.
    „In der dritten“, sagte sie mit
einem Seufzer, der alles vermuten ließ. Das Treppenhaus stank nach Bohnerwachs,
vermischt mit dem muffigen Geruch von Pfeffer und verwelkten Blumen. Solch ein
Nasencocktail war mir bekannt. Als ich klein war, hatte es donnerstags bei uns
immer so gerochen. Manchmal blieb ich zu Hause, weil ich keine Freunde hatte
oder einfach alleine sein wollte. Dann sah ich durchs Fenster auf die
menschenleere, sonnenbeschienene Straße, hörte meine Großmutter im Nebenzimmer
hantieren oder lauschte dem Klavierspiel im Haus gegenüber. Worauf ich wartete,
weiß ich nicht. Das war vor gut dreißig Jahren. Manchmal ertappe ich mich, daß
ich immer noch auf etwas warte...! Auch hier in diesem kleinbürgerlichen,
alten, aber sauberen Haus spielte jemand Klavier. Gestern bei Mado auch.
Vielleicht verlangte dieser Fall eine musikalische Untermalung... Wie im Film,
wenn der Detektiv leise die Treppe hinaufgeht, die zum Zeugen Nr. 1 oder auch
zum Täter führt. Ich kam mir aber ganz und gar nicht wie im Film vor.
Filmhelden lassen die Flügel nicht hängen. Sie sind nicht hundemüde. Sie finden
sich auch nicht selbst zum Kotzen. Achtzehn Lenze und aus dem Fenster springen!
Sein kleines hübsches Gesichtchen auf einen beschissenen Bürgersteig knallen
lassen, der nach Hundepisse stinkt, und dann im eigenen Blut liegenbleiben! Und
ich wurde dafür bezahlt, dem Schuldigen für diese Tragödie aus der Patsche zu
helfen. Was nun, Nestor? Du bist nicht mehr der kleine Junge, der auf Gott weiß
was wartete. Das Leben ist weitergegangen, wie man so sagt. Du mußt dir deine
Brötchen verdienen, sonst wirst nämlich du aus dem Fenster springen müssen.
Wühlst du denn zum ersten Mal im Dreck? Hier hast du’s eben mit Sängern und
ihren Liedern zu tun. Verkaufen die nicht alle ihren Dreck, diese Troubadours
der Hoffnung? Geht ihnen leicht über die Lippen, bei dem Geld. Kostet sie gar
nichts, im Gegenteil, bringt ihnen ‘ne Menge ein. Du singst nicht, Nestor. Mit
deiner schwachen Kehle! Seitdem du dich durchs Leben schlägst, weißt du doch,
daß das mit der Scheißhoffnung nur fauler Zauber ist.
    Ich läutete bei den Dolmets.
Leise Schritte in der Wohnung. Im Türspalt erschien eine kleine, sympathische
Alte mit weißen Haaren. Mußte wohl im Frühling ihres Lebens eine schöne Frau
gewesen sein.
    „Guten Tag, Madame“, sagte ich.
Meine Pfeife hatte ich in die Tasche gesteckt. „Madame Dolmet?“
    „Ja, Monsieur. Was wünschen
Sie?“
    Die traurige Stimme war
schleppend wie das Schlurfen ausgelatschter Pantoffeln. Ich gab ihr meine
Visitenkarte, auf der nur mein Name stand, ohne Zusatz. Obwohl sie doch
bestimmt lesen

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