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Besoffene an der Theke.
„Im Zickzack gegeneinander,
dann klappt’s“, sagte ich.
„Gute Idee“, lachte sie und
blies mir ihre Alkoholfahne ins Gesicht.
Schließlich nahmen wir ein
Taxi. Wenn die Fahrt kurz ist, muß man ein dickes Trinkgeld geben. Sonst werden
sie böse. Kurz darauf brachte ich Clara Nox in ihre Wohnung. Ein hübscher
Salon, fast luxuriös.
„Setzen Sie sich“, sagte sie
und zeigte auf einen Sessel. „Wir kippen noch einen.“
Sie ging hinaus, stieß gegen
den Türpfosten. Hier und da sah ich an den Wänden oder auf den Möbeln
Erinnerungen an ihre ruhmreiche Zeit. Vorbei. Clara kam zurück. Gegen ihren
Busen gedrückt eine viereckige Flasche. Ihren Mantel hatte sie noch nicht
ausgezogen. Eine Strähne ihres ungepflegten Haares fiel ihr ins Gesicht. Sie
blieb stehen, schwankte ein wenig, sah mich überrascht neugierig an.
„Was woll’n Sie hier?“ fragte
sie.
„Ich hab Sie doch nach Hause
gebracht, erinnern Sie sich nicht? Hab Ihnen hier nach oben geholfen. Ich
dachte, Sie wollten mir was zu trinken anbieten.“
„Jaja“, brummte sie. „Kann
sein. Egal, trinken wir einen...“ Sie stellte eine Ginflasche an die äußerste
Tischkante. Zwei Zentimeter weiter nach rechts, und sie wär auf den Boden
gefallen.
„...haben mir die Treppe
raufgeholfen, Süßer?“
„Ja, M’ame.“
Sie lachte laut los.
„Betatscht ha’m Se mich.
Jawohl. Mit Ihren Pfoten. Können wohl damit umgehen.“
„Weiß nicht. Sollte ich?“
Sie pustete sich die Haare aus
der Stirn.
„Wie heißt du, Süßer?“
„Nestor.“
Sie zuckte die Achseln.
„Komischer Name. Säufst du Petroleum?“
„Lieber Gin.“
„Wir gießen uns einen hinter
die Binde. Dann geht alles vorbei.“
Sie merkte, daß wir zwar eine
Flasche, aber keine Gläser hatten. Wieder zurück in die Küche. Weiß der Teufel,
warum sie jetzt drei Gläser mitbrachte, langstielig, sehr elegant, sehr zart,
hübsch getönt. Aber sie hatte einen guten Riecher. Als erstes machte sie eins
kaputt. Sie nahm die Scherben und tat sie in ihre Manteltasche. Eine gute
Hausfrau!
„Schütten Sie ein“, sagte sie.
„Ich bin so langsam hinüber.“ Sie gähnte, zog den Mantel aus. Er flog in eine
Ecke.
„Diese Scheißgürtel verdrehen
sich immer“, knurrte sie. Sie wackelte hin und her, so daß ihre Bluse locker um
ihre Hüften wehte. Kein schlechtes Dekolleté... Mit einer Hand versuchte sie,
ihren Büstenhalter zurechtzuziehen.
„Glotz nicht so, Süßer“, sagte
sie.
„Worauf denn?“ grinste ich.
„Sie verstecken ja alles.“
Sie lachte schallend und
wirbelte auf dem Absatz herum. Um ein Haar wär sie hingefallen. Dann ließ sie sich
in den Sessel mir gegenüber fallen. Ihre sehr hoch übereinandergeschlagenen
Beine waren immer noch schön. Ein Strumpf hatte sich verdreht. Beim andern
waren die Laufmaschen kaum noch zu zählen. Sie sah mich an. Ich sah sie an. Wir
sahen uns an.
„Nicht glotzen“, wiederholte
sie.
Ich stand auf und brachte ihr
ein Glas. Clara Nox! Überall Falten der Bitterkeit unter einer scheußlichen
Maske. Gute Arbeit, Monsieur Andréa! Sie hatte bestimmt viele aufs Kreuz
gelegt. Jetzt lag sie auf dem Kreuz. Viele hatten nach ihrer Pfeife getanzt.
Jetzt pfiff sie auf dem letzten Loch.
Sie zündete sich eine Zigarette
an. Von dem Rauch mußte sie husten. Sie kratzte sich den Hals und schob dabei
einen Finger unter das kurze Halstuch. Eins von den Dingern, die voyou genannt werden. Das war
alles, was noch an ihre große Zeit als Sängerin erinnerte.
„Willst du mit mir schlafen, du
kleiner Lüstling?“
Ihre Stimme knarrte wie eine
Wetterfahne.
„Warum?“ fragte ich. „Darf das
jeder, der Sie nach Hause bringt?“
„Wer bringt mich nach Hause?“
„Ist doch nicht das erste Mal,
daß Sie sich besaufen, oder?“
„Oh! Sie verabschieden sich vor
der Tür. Kommt nie einer mit rauf. Werd auch nicht immer nach Hause gebracht.
Ich fall doch allen auf den Wecker... Siehst nett aus, du.“
„Jaja. Ich hab aber auch Tage,
an denen ich mich selbst ankotz. Trinken wir noch einen...“
Das taten wir.
„...Ist gut, Ihr Gin. Mit so
was hier zu Hause, was tun Sie dann im Bistro?“
„Die Beleuchtung.“
„Welche Beleuchtung?“
„Die Beleuchtung in den
Bistros. Kannst du nicht verstehen. Bist zu blöd. Nett, aber blöd...“
Sie sah mit ihren wässrigen
Augen zur Decke und fing an, mit sich selbst zu reden, wie im Traum.
„ — Qualm... Lachen... Lärm...
Wärme... Musik... Beleuchtung wie auf
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