Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
zweimal in den Rücken.
Blitzartig hatte McBride die Gefahr erkannt – Silks entgeisterter Gesichtsausdruck hatte ihn gewarnt. Und während ihn die Kugeln trafen, griff er nach dem Küchenmesser.
Trotz des Schmerzes drehte er sich um und sah Gesini vor sich, und während eine dritte Kugel ihm den linken Arm gleich unterhalb der Schulter durchbohrte, packte ihn ein rasender Zorn. Sein Hirn befahl den Beinen, vorwärts zu gehen. McBride taumelte drei Schritte auf Gesini zu und warf sich ihm mit dem entscheidenden vierten Schritt entgegen. Der Scheißer geht doch nicht zu Boden, dachte Gesini und wich zurück. Ich habe ihn dreimal voll getroffen, und er geht nicht zu Boden.
Im Fallen trieb McBride das Küchenmesser tief in Gesinis Leib, und während er zustieß, schrie er den wortlosen Schrei, diesen Schrei, den er beim Marine-Corps für den Nahkampf gelernt hatte, einen Schrei, der halb Gellen, halb Brüllen war – und als er damit fertig war, drückte McBride das Messer aufwärts, bis es auf Knochen stieß. Und dann sagte McBride in einem merkwürdig friedfertigen, fast besorgten Ton: »Sag mir, wo’s weh tut, Solly.«
McBride taumelte rückwärts und setzte sich mit einem Plumps auf den Küchenboden. Solly Gesini blickte auf das Messer hinunter, das aus dem unteren Rippenbogen herausragte. Er ließ die Pistole fallen und berührte zimperlich den Messergriff. Mein Gott, tut das weh! Warum muß das so verdammt weh tun? Nachdem er sich die Frage gestellt hatte, die ihm niemand beantwortete, sackte Solly Gesini auf seine dicken Knie und kippte dann weiter auf den Fußboden, verlor das Bewußtsein und verblutete.
McBride saß auf dem Fußboden und sah zu, wie Gesini starb. Er hörte das Mädchen irgendwas sagen, aber er verstand nicht genau, was. Irgendwas, ob ich verletzt bin oder so. Warum fragte sie das bloß? überlegte McBride angestrengt und streckte sich auf dem Linoleumboden aus, weil er so müde war und Schmerzen hatte. Eddie McBride überlegte immer noch, was das Mädchen da andauernd fragte, als er starb. Er starb so, wie er gelebt hatte, immer ein bißchen erstaunt.
Silk Armitage stand mit dem Käse-Tomaten-Sandwich in der Hand am Küchentisch. Langsam legte sie es auf die Tischplatte und setzte sich auf einen Küchenstuhl. Sie leckte sich nervös über die Lippen, faltete beinahe pedantisch die Hände vor sich auf der Tischplatte, schloß die Augen und begann, leise zu singen. Sie würde singen, bis sie wüßte, was sie zu tun hatte.
Sie sang immer noch leise vor sich hin, als Durant, Wu und Overby in die Küche kamen. Sie öffnete die Augen, hörte zu singen auf und sagte: »Wer sind Sie?«
Artie Wu löste seinen Blick von Eddie McBrides Leiche. »Wir sind Ihre freundlichen Samurais«, sagte er und richtete seinen Blick wieder auf McBride. »Nur ein bißchen spät, wie üblich.«
Durant wandte die Augen von McBride ab und sagte: »Ihre Schwester schickt uns, Miss Armitage.« Er reichte Silk den Brief, den Lace Armitage geschrieben hatte. Silk betrachtete den Umschlag lange, ehe sie ihn aufriß und zu lesen begann.
Während sie las, kniete Overby neben dem toten Eddie McBride. Sein hartes Gesicht war weich geworden, er blickte zu Artie Wu hoch und sagte: »Der Junge und ich, wir hatten Pläne, wir wollten uns zusammentun, als eine Art Partner, weißt du, wie ihr.«
Wu nickte. Overby kniete immer noch neben McBride und starrte ihn an, bis er den weichen Schmerz gemeistert hatte und die altvertraute Härte wieder in sein Gesicht zurückkehrte. Er stand auf.
»Teufel auch«, sagte Otherguy Overby. »Es waren nur Sprüche.«
Silk Armitage hatte den Brief zu Ende gelesen und blickte zu Durant hoch. Gleich weint sie, dachte er, entweder weint sie gleich, oder sie dreht durch.
»Ich kann wohl nichts mehr tun«, sagte sie so gefaßt und besonnen, daß Durant tatsächlich um ihren Verstand fürchtete.
»Am besten überlassen Sie alles Weitere uns, Miss Armitage«, sagte Durant.
Silk Armitage blickte sich in der Küche um. Sekundenlang ruhte ihr Blick auf den beiden Toten. Dann lächelte sie und sagte fast munter: »Ja, ich finde, ich habe so ziemlich alles getan, was ich tun konnte. Finden Sie nicht auch?«
Und anschließend fing sie an zu weinen.
Sechsunddreißig
Chief Oscar Ploughman und Lt. Marion Lake waren um zehn Minuten schneller am Tatort als die Polizei von Los Angeles, was Ploughman reichte, um einen kurzen, aber ausgesprochen interessanten und sogar gewinnträchtigen Plausch mit
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