Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
im Kühlschrank liegen, und der Mund unter der leichten Hakennase nur mehr ein schmaler, mißbilligender Strich, der entweder unterdrückte Wut oder Beschwerden wegen der Kippers signalisierte.
Wu hatte gerade beschlossen, mit einem deutlichen »Und?« das Schweigen zu brechen, als es an die Tür klopfte. James stand auf und öffnete dem Kellner, der schon den Frühstückstisch hereingefahren hatte. Der Kellner setzte die Kaffeekanne ab, steckte von James ein Lob und einen Dollar für seine Pünktlichkeit ein und wollte wissen, ob er den Tisch mitnehmen sollte. James schüttelte den Kopf, nein.
Als der Kellner weg war, machte James erst einmal aus dem Kaffeeinschenken eine Art Zeremonie. Dann lehnte er sich im Stuhl zurück und blickte Wu und Durant an.
»Nun«, sagte er, »das ist entschieden besser als erwartet.«
Durant, die Hände immer noch hinterm Kopf verschränkt, reckte sich und blickte gegen die Decke. Wu kaute einfach weiter an seiner kalten Zigarre.
»Er weiß inzwischen, daß Sie hier sind«, sagte James. »Das könnte von Vorteil sein.«
»Simms?« sagte Durant.
»Ja, Reginald Simms.« James sprach den Namen aus, als beiße er zum erstenmal hinein und sei sich nicht sicher, ob ihm schmecken werde, was er da anbiß.
»Wir gehen davon aus, daß er es weiß«, sagte Durant.
»Wahrscheinlich weiß er es«, sagte James. »Immerhin hat irgend jemand Ihre Namen von McBride haben wollen. Garantiert war es Simms. Oder einer seiner Kumpane.«
»Kumpane?« sagte Wu. »Mein Gott, ich glaube, das Wort habe ich seit zwanzig Jahren nicht mehr gehört, seit Princeton.«
»So lange liegt das zurück? Mit Ihnen und Simms, meine ich.«
»Fast«, sagte Durant.
»Es fing alles in Mexiko an, ungefähr 1961, richtig?«
»1961 genau«, sagte Durant und starrte immer noch gegen die Decke.
»Und damals in Mexiko taten Sie was?«
»Wir saßen im Gefängnis.«
»Ich weiß, ich erinnere mich nur nicht mehr an die Einzelheiten.«
»Sie meinen, warum?« sagte Wu.
»Ja, warum.«
»Wir handelten mit präkolumbianischer Kunst«, sagte Durant, verlagerte seinen Blick von der Decke auf James und lächelte.
»Mit Fälschungen präkolumbianischer Kunst, meinen Sie.« Durant zuckte mit den Achseln. »Einige der Stücke, die wir verkauft haben, stehen heute noch in Museen. Der alte Carrasco war ein echter Künstler. Wahrscheinlich ein Genie.«
»Sie waren damals wie alt?«
Wu subtrahierte im Geist. »Zweiundzwanzig.«
»Und da erschien Simms auf der Bildfläche und rekrutierte Sie.«
Wu schüttelte den Kopf. »So kann man das nicht sagen. Er stellte uns vor die Wahl: Entweder konnten wir in diesem mexikanischen Knast bleiben oder ins Peace Corps eintreten und für ihn nach Indonesien gehen.«
James lächelte, und zum erstenmal kroch in sein Dezemberlächeln ein Hauch von Frühling. »Ich kann mir keine zwei weniger geeignete Kandidaten vorstellen. Fürs Peace Corps, meine ich. Was beeindruckte ihn denn so an Ihnen? Hat er das gesagt?«
»Unsere Jugend«, sagte Durant mit einem Grinsen.
»Mit Sicherheit. Für Ihr Alter hatten Sie nicht gerade ein behütetes Leben geführt.«
»Nicht gerade«, sagte Wu.
»Also gingen Sie für das ›Peace Corps« nach Indonesien.« James setzte den Namen sorgfältig in akustische Anführungszeichen. »Java, nicht wahr?«
Wu nickte.
»Und wer war Ihr Kontaktmann?«
»Ein Holländer. Jonckheer, Simon Jonckheer.«
James trank wieder von seinem Kaffee, der inzwischen kalt geworden war, was ihn aber offenbar nicht störte. Vielleicht bemerkte er es gar nicht.
»Aber der hat Sie hochgehen lassen, nicht wahr?«
Durant zuckte mit den Achseln. »Erst später. Eine Zeitlang hat er uns freie Hand gelassen.«
»Warum?«
»Weil wir ihn beteiligt haben.«
James nickte. »Zigarettenschmuggel, nicht wahr?«
»Auch«, sagte Wu.
»Und was noch?«
Durant lächelte wieder. »Informationen. Wir dachten uns welche aus. Wenn wir ein Gerücht aufschnappten, schmückten wir es aus und reichten es an ihn weiter. Er mochte uns.«
»Und das Peace Corps?«
»Die waren schlicht happy mit uns«, sagte Wu. »Wir steigerten das Pro-Kopf-Einkommen in unserem Dorf im ersten Halbjahr um fünfhundert Prozent. Natürlich hatten wir zu der Zeit fast das ganze Dorf auf unserer Gehaltsliste.«
»Wie war das Gefängnis?« sagte James.
»Sie meinen das in Djakarta?«
James nickte.
Durant zuckte wieder mit den Achseln. »Von den Holländern gebaut. Solide. Lausig, natürlich, aber wir haben Sukarno
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