Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
schwarzen Schuhen auch nicht, die noch zu der Sorte Schuhwerk gehörten, die Schnürsenkel brauchte. Durant versuchte sich zu erinnern, wann er zuletzt Schuhe mit Schnürsenkeln getragen hatte. Vor zehn Jahren vielleicht, oder elf.
Als der Kellner verschwunden war, nahmen sie am Tisch Platz. Artie griff tüchtig zu, auch bei den Kippers. James aß ein weichgekochtes Ei, ein wenig Schinken, ein bißchen Fisch und ein Stück trockenen Toast. Durant beschränkte sich auf ein Stück Toast, das er sorgfältig butterte.
Als James sein Ei aufgegessen hatte, tupfte er die Lippen mit der Serviette ab und sagte: »Ich muß bekennen, daß ich ein wenig enttäuscht bin, Gentlemen.«
»Mir schmeckt’s«, sagte Wu und nahm sich noch eine Portion Rührei.
»Er redet nicht vom Essen, Artie«, sagte Durant und zündete sich eine Zigarette an.
»Mach keine Witze«, sagte Wu. Er verspeiste sein Rührei, wischte sich mit der Serviette den Mund ab, lehnte sich mit einem Seufzer in seinen Stuhl zurück und brachte eine seiner langen, schlanken Zigarren zum Vorschein, die er James unter die Nase hielt. »Was dagegen?«
»Überhaupt nicht.«
Wu schnitt sorgfältig das Ende seiner Zigarre ab und zündete sie mit einem seiner üblichen Küchenstreichhölzer an, und als er fand, daß sie ordentlich brannte, linste er durch den Qualm zu James hinüber und sagte: »Verraten Sie uns, warum Sie enttäuscht sind, Whittaker.«
»In ganzen zwei Monaten kein Bericht.«
Wu zuckte mit den Achseln. »Es gab nichts zu berichten.«
»Selbst das wäre interessant, wenn schon nicht nützlich gewesen.«
»Wir hatten zu tun«, sagte Durant.
»Was hatten Sie zu tun?«
»Wir mußten unsere Vorbereitungen treffen.«
»Davon wäre ich gern unterrichtet worden.«
»Wie stellen Sie sich das vor?« sagte Wu. »Hätten wir vielleicht anrufen und melden sollen, daß wir auf der Suche nach einem toten Pelikan sind?«
James runzelte die Stirn, und der Frost in seinen blaßgrauen Augen wurde um einiges kälter. »Vielleicht sollten wir uns einen Überblick verschaffen«, sagte er. »Möchten Sie mit dem Pelikan beginnen?« Mit dem Wort Pelikan tat er sich offensichtlich schwer, er zerbiß es förmlich.
Artie Wu lächelte. »Beginnen wir früher. Beginnen wir mit Aberdeen.«
»Bitte«, sagte James. »Und da ich wenigstens an dem Teil unseres kleinen Unternehmens beteiligt war, fasse ich zusammen.« Er blickte die beiden wieder an, als erwarte er Aufsässigkeit. Was er von Durant bekam, war ein winziges Lächeln und ein noch winzigeres Nicken. Wu schwenkte bloß ein bißchen seine Zigarre.
»In Schottland – in Aberdeen, um präzise zu sein – habe ich mich mit Ihnen getroffen und unser Problem dargelegt. Aus einer Liste mit verschiedenen Namen hatte mein kleiner Freundeskreis Ihre Namen ausgewählt, weil wir naiverweise glaubten, daß Sie beide – besonders Sie, Quincy – in hohem Maß motiviert wären. Ich glaube, es bedurfte nur eines Gesprächs von fünf Minuten mit Ihnen, um mir klarzumachen, welch bedauerlichem Irrtum wir aufgesessen waren.«
Durant rieb sich sein linkes Auge. »Rache ist ein furchtbar altmodisches Motiv, Whittaker.«
»Offensichtlich.«
»Aber als Sie Geld erwähnten«, sagte Wu, »wurden wir ganz munter, wenn ich mich recht erinnere.«
»In der Tat. Nur ist mein Freundeskreis nicht die Regierung, und folglich stehen uns keine unbegrenzten Mittel zur Verfügung.«
»Wie nennen Sie sich doch noch?« sagte Wu. »Irgendwas Niedliches, meine ich mich zu erinnern.«
James schien fast verlegen, aber nur fast. » The R Street Fudge and Philosophical Society«, sagte er und funkelte die beiden trotzig an.
Artie Wu grinste fröhlich. »Niedlich, sagte ich doch.«
»Wie viele gibt es eigentlich von Ihnen?« sagte Durant. »Zwei Dutzend?«
»Ungefähr.«
Durant drückte seine Zigarette aus. »Und wie viele davon sind Exkabinettsmitglieder? Ein Dutzend, fünfzehn?«
»Jeder von uns hat der Regierung in der einen oder anderen Form gedient.«
Durant nickte. »Und sie alle sind Millionäre, mindestens.«
»Eine Anzahl von uns lebt in bequemen Verhältnissen«, sagte James etwas steif, um es weder wie Angabe noch wie ein Eingeständnis klingen zu lassen.
»Und ist daran gewöhnt«, sagte Wu.
In James’ Blick war keinerlei Wärme. »An ein bequemes Leben?« Wu schüttelte den Kopf. »Hand anzulegen. Oder anders ausgedrückt: Fängt irgendwo ein Topf an überzukochen, seid ihr Burschen sofort mit einem Deckel zur Hand.«
James
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