Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Sie sind verdammt anständig, oder?«
»Manchmal«, sagte Booth Stallings. »Hin und wieder.«
Als Georgia Blue Stallings’ Suite betreten hatte, hatte sie eine braune Seidenbluse getragen, einen hellbraunen Rock, der wie leichte Baumwolle wirkte, aber wahrscheinlich Seidengabardine war, die braun-weißen Pumps und die lederne Umhängetasche mit der Walther PPK. Als sie um 1.16 Uhr sein Schlafzimmer betrat, trug sie nur die braune Seidenbluse.
Stallings hatte sich im Bett aufgesetzt und las gerade ein Buch. Eigentlich war es ein gebundenes Vorabexemplar, das ein Verleger der Stiftung zugeschickt hatte. Als er für seine Reise gepackt hatte, hatte Stallings es auf dem Nachttisch seines Apartments gegenüber dem Washingtoner Zoo gefunden.
Das Buch enthielt Aufsätze von neunzehn Koryphäen unterschiedlichen Ranges, doch gleicher Meinung. Jeder Aufsatz gab die oft schwammigen Ansichten der Verfasser über Terrorismus wieder, den keiner so recht zu definieren wußte, ohne ins Schwafeln zu geraten. Aber obwohl sie sich nicht darüber einigen konnten, was Terrorismus war, waren sie einer Meinung, was mit denen geschehen sollte, die ihn praktizierten. Stallings war zu dem Schluß gekommen, daß es sich bei dem Buch nur um einen weiteren ermüdenden Erguß jener »Rübe runter«-Schule handelte. In Washington hatte es ihm vier Nächte hintereinander zum Schlaf verholfen, also hatte er das Buch anstelle von Seconal eingepackt.
Als Georgia Blue mit nichts als dem braunen Seidenhemd ins Schlafzimmer kam, ließ Stallings das Vorabexemplar zu Boden fallen, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte sie an. Jetzt erinnerte er sich wieder, wie er – bei ihrer ersten Begegnung im Madison – auf Anhieb entschieden hatte, daß sie eine der drei umwerfendsten Frauen war, die er je gesehen hatte. Nun reduzierte er die Konkurrenz auf zwei und erwog sogar, die einzig verbleibende Mitbewerberin zu streichen, eine auf die Fünfzig zugehende italienische Schauspielerin.
»Ist die Couch drüben zu kurz, oder sind Sie zu lang?« sagte er, wobei er spürte, wie sich sein Mund zu etwas verzog, das, wie er hoffte, eher ein Lächeln war als ein lüsternes Grinsen.
»Beides«, sagte sie und begann, die Bluse aufzuknöpfen. Sie tat es methodisch, schaute auf die Knöpfe hinab, als sei sie beim Ausziehen allein. Als alle Knöpfe offen waren, streifte sie die Bluse ab, faltete sie ordentlich zusammen, als wolle sie sie einpacken, und legte sie sorgfältig auf einen Stuhl.
Dann drehte sie sich wieder um, weder provozierend noch schüchtern, und präsentierte ihm auf einen Schlag das ganze Menü. Stallings verschlang es mit den Augen und fragte sich, wie es wohl auf der Zunge schmecken würde.
»Das bringt das Blut in Wallung«, sagte er.
»Gut«, sagte Georgia Blue, als sie neben ihm ins Bett schlüpfte.
Sie zu küssen, entschied Stallings, war so, als küsse man die erste ältere Frau seines Lebens – diejenige mit all den schlimmen Erfahrungen. Dann beschloß er, überhaupt nichts mehr zu beschließen und sich schlicht und einfach dem zu überlassen, was geschehen würde, nur daß das, was dann geschah, alles andere als schlicht und einfach war. Statt dessen war es kunstreich, ein klein wenig wild, vollkommen sinnlich und sogar bahnbrechend für Stallings, der bis zu dieser Nacht geglaubt hatte, daß er schon vor langer Zeit die letzte sexuelle Schwelle überschritten habe. An einem Punkt erlebte er das Glücksgefühl eines Geizhalses, als ihm bewußt wurde, daß diese Nacht in diesem Bett in Suite 542 des Manila-Hotels seinem Hauptkonto beim Bankhaus Phantasie & Co. gutgeschrieben werden würde – und daß er, solange er lebte, unbegrenzt davon abheben konnte.
Nach einer halben Stunde, plus/minus fünf Minuten, war es vorüber. Sie lagen da, starrten an die Decke, sie mit dem Kopf an seiner Schulter, und Stallings wünschte sich zum ersten Mal seit Jahren, daß er noch immer Chesterfields rauchte. Filterlos. Die Zerstörer mit ihrem »Sie werden zufrieden sein«-Versprechen. Oder waren das die Old Gold? Er hatte sich fast schon entschlossen, Georgia Blue zu fragen, obwohl sie nicht alt genug war, um sich daran zu erinnern, als sie unvermittelt sagte: »Dieser Scheiß-Durant!«
»Scheint doch ein ganz netter Bursche zu sein.«
»Nicht, wenn man glaubt, daß er einen vielleicht umbringt.«
»Wegen der Frau, der Cariaga?«
»Er könnte«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob er’s tut. Aber er könnte.«
»Er wird
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