Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
dich nicht umbringen«, sagte Stallings. »Jedenfalls nicht, bevor er zu seinem Geld kommt.«
Sie drehte leicht den Kopf und sah, daß er noch immer zur Decke hochstarrte. »Aber was, wenn er sein Geld nie kriegt?« sagte sie. »Was, wenn ich das ganze Geschäft vermasselt habe?«
»In diesem Fall«, sagte Stallings, immer noch zur Decke hochstarrend, »solltest du dir nicht nur um den Scheiß-Durant Gedanken machen.«
Am nächsten Morgen um 8.17 Uhr schnellten die Jalousien klappernd hoch und rasteten mit einem schwachen Knall ein. Morgensonne fiel auf Stallings und Georgia Blue, die beide nackt bis zur Hüfte, wo das Laken endete, im Bett lagen. Sie fuhr hoch. Stallings öffnete die Augen und sah Otherguy Overby am Fenster stehen und auf die Bucht hinausschauen.
»Schöner Tag«, sagte Overby, ohne sich umzudrehen. »Nur später soll es ein bißchen heiß werden.« Dann drehte er sich um, sah erst Stallings und dann Georgia Blue an, die keinen Versuch machte, das Laken hochzuziehen. »Wu und Durant sind drüben«, sagte Overby und wies mit einem Nicken zum Wohnzimmer. »Sie finden, daß wir was zu besprechen haben.«
»Haben sie schon Kaffee bestellt?« sagte Stallings. »Nein, aber ich«, sagte Overby, machte kehrt und verließ das Zimmer.
21
Als Georgia Blue aus dem Schlafzimmer der Suite kam, trug sie einen der langen weißen Frotteebademäntel, die die besseren Hotels ihren Gästen zur Verfügung stellen, verbunden mit der Warnung, daß der, der sie stiehlt, dafür bezahlen wird. Sie kam barfuß heraus, die rechte Hand tief in die Tasche des Bademantels geschoben, wo sie die Walther PPK umklammerte, die Booth Stallings ihr zuvor kommentarlos zurückgegeben hatte.
Stallings bemerkte, daß sie ihre verlorene Selbstsicherheit wiedergefunden hatte. Sie schien jetzt beinahe durch nichts zu erschüttern, als sie stehen blieb und jeden der vier Männer ansah. Sie nickte Artie Wu zu, der in der von ihm bevorzugten linken Ecke der Couch saß, in einer Hand eine Tasse Kaffee, in der anderen die Morgenzigarre. Wu nickte höflich zurück. Georgia Blues Blick übersprang Overby, der wie gewohnt in einem geradlehnigen Stuhl saß, und ruhte kurz auf Stallings, der ihn über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg erwiderte. Ihr Blick blieb schließlich an Durant hängen, der neben dem Servierwagen mit den viel zu vielen Tassen und Untertassen und den zwei verchromten Kaffeekannen stand.
Durant drehte sich zum Wagen um und schenkte eine Tasse Kaffee ein. »Schwarz, nicht wahr, Georgia?« sagte er. »Ohne Zucker.«
»Bitte«, sagte sie.
Durant drehte sich mit Tasse und Untertasse um, ging zur Zimmermitte, wo sie stand, und reichte ihr den Kaffee. Sie nahm ihn mit der linken Hand entgegen, ohne den Griff der rechten um die Walther in der Bademanteltasche zu lockern. Dann wandte sie sich um, suchte einen Platz zum Sitzen und entschied sich wieder für den grünen Lehnstuhl mit dem Beistelltisch. Sie setzte Tasse und Untertasse zuerst auf dem Tischchen ab und nahm dann Platz, wobei sie die Beine unter dem langen Bademantel übereinanderschlug und die rechte Hand in der Tasche behielt.
Niemand sagte etwas, bis sie die Tasse mit der linken Hand hob und am Kaffee nippte. Dann sprach Artie Wu. »Booth hat uns erzählt, was du ihm gestern nacht erzählt hast, Georgia. Es klang alles sehr sachlich, sehr objektiv. Möchtest du irgendwas hinzufügen oder klarstellen?«
»Du meinst, bevor ich verurteilt werde?«
»Ich glaube, das wolltest du gerade gar nicht sagen.«
Sie dachte darüber nach, zuckte die Achseln und schaute auf Durant, der an die Wand gelehnt dastand und die erste Zigarette des Morgens rauchte. »Ich habe nicht gewußt, wer sie war, Quincy«, sagte Georgia Blue. »Ich habe nicht gewußt, daß sie umgebracht werden würde. Es tut mir leid.«
Durant starrte sie an, ohne etwas zu erwidern. Schließlich sagte er: »Nimm deine Hand aus der Tasche, Georgia. Du wirst sie nicht brauchen.«
Fast unmerklich entspannte sich Georgia Blue vor Erleichterung. Sie führte die Tasse mit der linken Hand an den Mund, nippte an ihrem Kaffee, stellte die Tasse wieder ab und blickte, die rechte Hand noch immer in der Bademanteltasche, zu Artie Wu.
»Was jetzt, Artie?« sagte sie.
Artie Wu schickte einen seiner fetten Rauchringe zur Decke. »Der Plan bleibt derselbe«, sagte er. »Aber wir werden ihn jetzt beschleunigen. Emily Cariaga ist offenbar getötet worden, um zum Schweigen gebracht zu werden. Aber wir wissen nicht, was
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