Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
üppig, Otherguy, sehr wohlhabend.« Er legte eine Pause ein. »Sehr trügerisch.«
»Frag ihn, wer Stallings hat«, sagte Georgia Blue, die sich vom Kassenschalter näherte und sich hinter Wus Couch stellte.
»Otherguy darf man nie drängen«, sagte Wu. »Er wird’s uns schon sagen, sobald er entschieden hat, wie viel er uns wissen lassen will.«
»Wollt ihr, daß ich es hier unten erzähle?« sagte Overby. »Oder bei jemand auf dem Zimmer, der eine Flasche hat, ich habe nämlich keine.«
»Ich habe Scotch«, sagte Durant.
Ohne Zuhilfenahme der Hände erhob sich Wu aus der tiefen Couch. »Dann nehmen wir dein Zimmer, Quincy.«
Durant lehnte wie üblich an der Wand. Overby saß im einzigen Lehnstuhl des Zimmers. Georgia Blue hatte an dem kleinen Sekretär Platz genommen. Wu saß, ans Kopfende gelehnt, auf dem Bett. Durant hatte den Scotch mit nicht sehr kaltem Leitungswasser gemischt und die Drinks gereicht, nachdem Wu nach nebenan in sein Zimmer gegangen war und zwei weitere Gläser geholt hatte.
Nach einem langen Schluck von seinem Drink setzte Artie Wu das Glas ab und zog eine Zigarre hervor. Während er sie sorgfältig begutachtete, vielleicht um versteckte Makel zu entdecken, sagte er: »Wer hat also Booth Stallings, Otherguy?«
»Mr. und Mrs. Espiritu«, sagte Overby, wobei er seinen Blick von Wu zu Durant und zu Georgia Blue huschen ließ und auszuloten versuchte, welchen Effekt seine Enthüllung hatte. Er war weder überrascht noch beunruhigt, als es keine Reaktion gab. Overby trank etwas Scotch mit Wasser, lehnte sich im Sessel zurück und wartete ab, welchen Kurs Wu einschlagen würde.
»Mrs . Espiritu?« sagte Wu und hob in milder Verwunderung eine Augenbraue.
Overby entspannte sich, ließ es sich aber nicht anmerken. »Carmen Espiritu«, sagte er. »Ich glaube, jeder ist ihr schon das eine oder andere Mal begegnet. Jeder, außer mir.«
»Uns hat sie erzählt, sie wäre seine Enkelin«, sagte Georgia Blue. »Aber Booth hat es nicht geglaubt.«
»Wie man hört, lügt sie sehr viel«, sagte Overby.
»Und wo genau hört man das?« fragte Durant.
»Ich sag dir, wo«, sagte Overby. »Ich habe mich heute abend auf die Suche nach Stallings gemacht – gestern abend, schätze ich –, weil ich mit ihm was trinken wollte. Ich hab auf seinem Zimmer angerufen, an seine Tür gehämmert – nichts. Na ja, der Hoteldirektor ist ein Freund von mir, Tony Imperial. Als ich Tony vor zwanzig Jahren kennenlernte, war er Page. Also hab ich Tony gefragt, ob er Stallings gesehen hätte, und er sagt, er hätte ihn mit einem pensionierten Colonel der US Army gesehen, der hier im Hotel lebt. Ein Bursche namens Crouch. Vaughn Crouch, genau wie Vaughn Monroe – ihr erinnert euch? Und Tony sagte, Crouch und Stallings sind mit dem Wagen des Colonels weg. Ein alter gelber VW. Okay?«
Wu nickte Overby zu, er solle fortfahren. »Na ja, ich häng hier rum, und da kommt der Colonel allein zurück. Ich mach mich also in der Bar an ihn ran, einfach so, und nach einigen Drinks erzählt er mir, wie er damals im Krieg Stallings und Espiritu und sechs andere Burschen nach Cebu auf Aufklärungs- und Erkundungspatrouille geschickt hat, von der nur die beiden zurückgekommen sind, Stallings und Espiritu.
Als er sich dann, ich glaube, zweiundsiebzig, hier zur Ruhe setzt, besucht der Colonel Espiritu und bleibt mit ihm in Verbindung, auch noch, nachdem Espiritu in den Untergrund geht. Na ja, der Colonel behauptet, es war Espiritu, der ihn gebeten hat, Stallings da rauf in die Berge zu fahren. Und das hat er gemacht. Also frag ich ihn, wo er Stallings abgesetzt hat, und er zeichnet mir eine Lageskizze. Na ja, da bin ich dann ins Auto, bei Avis nebenan gemietet, und hochgefahren, um mich umzusehen.«
»Nachts?« fragte Wu.
»Na klar nachts. Wann denn sonst? Nachts kann man viel erkennen, Artie. Die hätten da oben ja Schilder haben können: Hier entlang zum NPA-Lager. Bloß gab’s da keins. Also bin ich zurück. Ach ja. Es war übrigens der Colonel, der mir von Carmen erzählt hat und daß sie lügt wie gedruckt. Der Colonel mag Carmen nicht besonders.«
Auf Overbys Vortrag folgte längeres Schweigen. Schließlich zündete Wu seine Zigarre an und blies drei dicke Rauchringe zur Decke. Als er sprach, schienen seine Worte mehr an die aufsteigenden Rauchringe gerichtet als an Overby.
»Das ist eine sehr interessante Geschichte, und ich vermute, daß manches daran sogar wahr ist.«
»Dreißig Prozent auf jeden Fall«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher