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Wuensch dir was

Wuensch dir was

Titel: Wuensch dir was Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adena Halpern Ursula C Sturm
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total durch. Höchstwahrscheinlich bekam Barbara gerade eine Seite von Frida zu sehen, von deren Existenz sie bislang nichts geahnt hatte.
    »Oh Gott, ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen«, stöhnte ich und spähte in Barbaras Tasche. »Ihre Schlüssel sind hier, ihr Handy … Wo können die beiden nur stecken? Was meinst du, sollen wir die Jungs anrufen und unsere Verabredungen absagen?«
    »Wenigstens ich sollte es tun.« Lucy griff zum Handy.
    »Dann sollte ich es auch tun. Schluss mit dem ganzen Theater.«
    »Warum solltest du deine Verabredung absagen?«, fragte sie. »Und wie willst du ihnen alles erklären?«
    »Ich sage einfach die Wahrheit. Dass ich aufgewacht bin und neunundzwanzig war. Ich werde es ihnen beweisen, wie ich es dir bewiesen habe.«

    »Nein, das wirst du nicht tun, Gram. Du gehst zu deiner Verabredung.«
    Ich sank auf mein Sofa. Die Torten waren verschwunden. Ich nahm an, dass Barbara sie entsorgt hatte, vermutlich nicht, ohne erst davon zu naschen, aber das tat jetzt nichts zur Sache.
    »Lucy, irgendwann muss ohnehin Schluss sein. Es ist doch offensichtlich, dass es so nicht weitergehen kann. Höchstwahrscheinlich ist deine Mutter gerade bei der Polizei und gibt eine Vermisstenanzeige auf. Wie ich sie kenne, wird bald in ganz Philadelphia nach mir gesucht.«
    Lucy sah nachdenklich auf mich hinunter. Ich fragte mich, was ihr wohl durch den Kopf gehen mochte.
    »Nein. Ich regle das mit Mom. Du gehst zu deinem Date.«
    »Ich kann nicht.« Ich ließ den Kopf in die Hände sinken.
    »Du wirst es durchziehen wie geplant, und ich komme mit. Heute ist dein Tag, und nicht Moms. Morgen kannst du dich wieder ihr widmen.«
    »Aber deine Mutter …«
    »… soll endlich erwachsen werden«, beharrte Lucy. »Und du, Gram, musst Stellung beziehen und aufhören, sie wie ein Kind zu behandeln. Sie ist kein Kind mehr; sie ist eine Frau mittleren Alters, und es wird allmählich Zeit, dass sie sich entsprechend verhält!«
    » Eine Frau mittleren Alters. Du weißt genau, dass ich diesen Ausdruck hasse.«

    »Aber genau das ist Mom nun einmal.«
    »Du verstehst das nicht. Eltern betrachten ihre Kinder immer als Kinder, ganz egal, wie alt sie sind.«
    Lucy setzte sich zu mir.
    »Heute nicht, Gram. Heute nicht.«
    Mir schwirrte der Kopf. Meine Tochter. Meine Freundin Frida. Was sollte ich nur tun? Ich war hin und her gerissen, was Lucy offenbar nicht entging.
    Wie sollte ich Barbara und Frida das alles überhaupt erklären? Sie würden es im Gegensatz zu Lucy nicht verstehen. Sie würden es nicht glauben, weil ich so aussah, wie ich aussah. Allmählich wurde mir klar, dass mir die Hände gebunden waren.
    Es hatte mit dem zu tun, was ich vorhin schon mal gesagt habe: Ab einem gewissen Alter ist man einfach nicht mehr offen für neue Ideen. Lucy hatte dieses Alter noch nicht erreicht, Frida und Barbara dagegen sehr wohl. Es ist ein trauriger Aspekt des Älter-undklüger-Werdens. Die vielzitierte Weisheit.
    Vielleicht hatte Lucy Recht. Das hier hatte nichts mit Barbara zu tun, es betraf nur mich. In dieser Hinsicht war ich immer noch unsicher. Vielleicht sollten Eltern ab einem gewissen Zeitpunkt tatsächlich aufhören, sich über jede Gefühlsregung ihrer Kinder den Kopf zu zerbrechen. Vielleicht sollte man sich irgendwann mit ihnen hinsetzen und ihnen klarmachen: »Die Zeiten, in denen ich dich erzogen und mir um dich Sorgen gemacht habe, sind vorbei. Du kannst dich nicht länger darauf verlassen, dass ich für dich
verantwortlich bin. Du musst dein Leben selbst in die Hand nehmen. Ich kann dir keine Antworten mehr liefern.« Lag Lucy wirklich richtig? Sie war ein kluges Mädchen, aber sie wusste nicht, was es bedeutet, Mutter zu sein. Vom ersten Moment an, in dem eine Mutter ihr Kind in den Armen hält, befindet sie sich in diesem Dilemma: Wie viel gibt man von sich? Wie viel kann man geben, wenn einem das Herz befiehlt, sein Kind zu bemuttern, ganz gleich, wie alt es ist, aber der Kopf diktiert einem etwas anderes?
    Dann betrachtete ich die Angelegenheit wieder von der anderen Seite. Heute war ich nicht die fünfundsiebzigjährige Ellie, sondern eine junge Frau wie Lucy. Heute war ich egoistisch. Wenn ich das Leben einer Neunundzwanzigjährigen führen wollte, und sei es nur für einen Tag, dann musste ich auch anfangen, wie eine zu denken, ganz gleich, was mein Herz von mir verlangte. Ich musste es zumindest versuchen. Heute würde ich also einmal egoistisch sein, mir in Erinnerung rufen, wer ich war, und

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