Wuensch dir was
hinwegkommen würde. Aber jetzt ging es ohnehin nicht um sie, sondern um mich. Es ging um all das, was in meinem Leben falsch gelaufen war.
Ich hatte ein Geschenk erhalten. Das beste Geschenk, das man jemandem überhaupt machen kann; besser als Diamanten oder ein Schrank voller Kleider oder eine teure Reise.
Ich hatte die Möglichkeit erhalten, noch einmal von vorn anzufangen.
Und diesmal würde ich alles richtig machen.
Als mir das klar wurde, huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Mein ganzes emotionales Gepäck, meine Familie, all das konnte ich zurücklassen. Ich bekam eine zweite Chance. Vielleicht würde ich mit Zachary weit weg ziehen, so dass ich nie wieder mit jemandem aus meinem früheren Leben sprechen musste. Lucy würde mir fehlen, aber wir konnten ja gelegentlich telefonieren.
Ich konnte mich weiterentwickeln. Womöglich sogar eine zweite Familie gründen. Männer tun das doch ständig. Und diesmal würde ich meine Kinder richtig erziehen. Ich würde ihnen beibringen, unabhängig zu sein und selbständig zu denken, und zugleich würde ich auf den Werten bestehen, die ich für richtig hielt.
»Ich habe da etwas, das dich aufmuntern wird«, verkündete Zachary. Er stieg aus dem Bett und ging in die Küche.
»Was denn?«, rief ich ihm nach.
»Es ist eine Überraschung«, entgegnete er.
Ich richtete mich im Bett auf, klopfte die Kissen zurecht und glättete die Laken, während ich auf ihn wartete.
So fühlte es sich also an, wenn sich jemand um einen kümmerte. Was auch immer er mir bringen würde, und sei es nur eine Kleinigkeit, es würde mir mehr Freude bereiten als alles, was ich mir je wünschen könnte.
Schon stand er in der Tür.
Er hielt einen Teller in der Hand, und auf dem Teller stand ein kleiner Kuchen in einem Förmchen aus Papier, gekrönt von einer Kerze.
»Alles Gute zum Geburtstag«, sagte er.
Ich klatschte lachend in die Hände. »Wo kommt der denn auf einmal her?«
»Ich habe ihn heute Morgen in der Bäckerei gekauft, in der wir uns zum ersten Mal begegnet sind.«
Er hielt eine Hand schützend vor die Kerzenflamme und kam zu mir. »Ich bin den ganzen Tag nicht dazu gekommen, ihn zu essen, und jetzt weiß ich auch, weshalb. Er war für dich bestimmt.«
Er setzte sich neben mich und stellte mir den Teller auf den Schoß.
»Wünsch dir was«, flüsterte er.
»Nein!«, rief ich und wedelte heftig mit der Hand, so dass die Flamme erlosch.
Er lachte. »Warum hast du sie denn nicht ausgeblasen?«
Das würde ich ihm bestimmt nicht auf die Nase binden. Was hätte ich denn sagen sollen – » Ach, meine Wünsche werden gern mal wahr« ?
Ich hatte nämlich Angst. Angst davor, ich könnte, ehe ich mich’s versah, wieder fünfundsiebzig werden, auf dieselbe unerklärliche Weise, wie ich über Nacht neunundzwanzig geworden war, was auch immer ich mir beim Ausblasen der Kerze wünschte.
Und wenn ich mir etwas wünschte, dann, dass ich nicht wieder in meinen fünfundsiebzigjährigen Körper zurückkehren musste. Solange ich keine Kerzen ausblies, würde ich neunundzwanzig bleiben.
Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe. Ich war verwirrt, und ich hatte Angst. Ich wollte unbedingt meine zweite Chance nutzen. Ich wollte noch einmal von vorn anfangen.
»Vielen Dank«, sagte ich und schälte das Törtchen aus dem Papier.
»Lass es dir schmecken«, sagte er, und genau das tat ich. Dann nahm er einen Bissen.
Als wir das Törtchen halb verspeist hatten, grinste er und sagte: »Ich könnte die Kerze noch einmal anzünden.«
»Nein, lass nur. Dieses Jahr hat sich mein Wunsch bereits erfüllt.« Ich lächelte ihn an, und dann küssten wir uns, bis unsere Gesichter ganz klebrig waren von der Glasur.
Als wir den Kuchen aufgegessen hatten, stellte Zachary den Teller auf den Boden, und wir kuschelten uns wieder unter die Decke.
»Zachary?«, sagte ich, als er sich über mich rollte und mich küsste.
»Was ist denn?«, fragte er. »Sag es ruhig.«
»Lass uns weggehen«, schlug ich vor. »Lass uns miteinander weggehen.«
Er lächelte. »Das habe ich mir auch schon überlegt. Ich würde dir gern mein Lieblingsbistro in Paris zeigen. Ich möchte mit dir nach Rom fahren, vor einem Café sitzen und Espresso trinken. Ich möchte mit dir die Stufen des Parthenon erklimmen und auf der Chinesischen Mauer spazieren gehen. Was hältst du davon?«
»Genau das schwebt mir auch vor.«
»Musst du morgen wieder zurück nach Chicago?«, fragte er.
»Nach Chicago? Ach so, nein. Auf mich wartet
Weitere Kostenlose Bücher