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Wünsche (German Edition)

Wünsche (German Edition)

Titel: Wünsche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Jäger
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einmal über den Kopf und ging zur Tür.
    »Papa?«, fragte Julian.
    »Ja?« Ich drehte mich wieder zu ihm um.
    »Ich hab dich lieb.«
    »Ich dich auch«, antwortete ich und gab mir große Mühe, die Tränen zurückzuhalten ‒ zumindest so lange, bis ich die Tür hinter mir geschlossen hatte.

Kapitel 8
    Es dauerte bis Dienstag. Erst dann durfte ich Julian endlich mit nach Hause nehmen. Ich musste einen Krankenpflegedienst organisieren, der ihn zuhause betreuen würde. Dr. Hartmann versprach uns, auch ein paar Mal vorbei zu schauen.
    Außerdem musste eines der Gästezimmer, die ziemlich unpersönlich waren, kindgerecht eingerichtet werden. Julian sollte sich in seiner neuen Umgebung wohlfühlen. Ich beschrieb ihm alle Zimmer und ließ ihn eines davon auswählen. Er entschied sich für das Zimmer, das direkt neben meinem Schlafzimmer war.
    Dann fragte ich ihn, wie er es gerne eingerichtet haben möchte. Er äußerte seine Wünsche ohne falsche Bescheidenheit. Auch wenn ihm klar war, dass er es weder sehen konnte, noch würde er, aller Wahrscheinlichkeit nach, sehr lange Freude daran haben. Aber er wusste, dass ich es mir leisten konnte.
    »Möchtest du aus deinem alten Zimmer etwas haben?«, fragte ich ihn am Sonntag Nachmittag.
    »Nicht unbedingt«, antwortete er. »Leon wird mit den Büchern und Spielsachen sicherlich mehr anfangen können als ich.«
    Julian telefonierte täglich mit seinem besten Freund, allerdings immer, wenn ich nicht da war.
    »Was hältst du davon, wenn ich Leon abholen lasse, damit er dich besuchen kann?«
    Julian seufzte und schüttelte energisch den Kopf.
    »Ich will nicht, dass er mich so sieht.«
    Ihm stiegen die Tränen in die Augen.
    »Das ist auch in Ordnung«, sagte ich und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Julian lächelte dankbar.
    »Aber Teddy hätte ich gerne«, flüsterte er.
    »Wer ist Teddy?«
    »So ein uraltes Kuscheltier, das ich von meiner Oma bekommen habe, als ich noch klein war.«
    »Kein Problem. Wann soll ich Teddy holen? Sofort?«
    »Nein, das brauchst du nicht. Morgen Vormittag habe ich nochmal Tests. Vielleicht dann?«
    »Das mache ich dann, bevor ich morgen hier her komme, okay?«
    »Perfekt«, antwortete er und grinste mich an.
     
    Die Verantwortlichen des Heims, in dem Julian die letzten Jahre gelebt hatte, begrüßten mich am Montag Morgen um 9:00 Uhr zwar nicht unfreundlich, aber auch nicht gerade herzlich. Ich richtete ihnen aus, dass Julian die anderen Sachen Leon schenken wollte. Die Betreuer sagten, das wäre kein Problem.
    Die anderen Kinder waren in der Schule, bis auf ein Mädchen, das ich auf vielleicht sieben oder acht Jahre schätzte. Sie saß im Gemeinschaftsraum und schaute eine Kinderserie im Fernsehen.
    Eine Betreuerin begleitete mich durch das Haus. Julians Zimmer war klein und mit zwei Betten ausgestattet. Eines davon war ordentlich, das andere wurde in der vergangenen Nacht offensichtlich benutzt und am Morgen übereilt verlassen.
    »Leon verschläft fast jeden Tag«, sagte die Betreuerin entschuldigend.
    »Das ging mir auch so«, antwortete ich und lachte.
    »Julian war immer schon wach, bevor wir ihn wecken mussten. Unglaublich, wie verschieden zwei Menschen sind, die sich ansonsten so ähneln.«
    »Leon und Julian scheinen sich sehr nahe zu stehen«, bemerkte ich.
    Die Betreuerin, die sich mir nicht einmal mit Namen vorgestellt hatte, schaute mich verwundert an, sagte aber nichts. Ich ging zum gemachten Bett und nahm den Teddy, der auf dem Kopfkissen saß.
    »Ist das Julians?«, fragte ich.
    »Ja.«
    Ich schaute mich noch einmal im Raum um. Auf beiden Seiten standen identische Schreibtische und zwei kleine Kleiderschränke. Die Möbel hatten sicher schon bessere Tage gesehen. Viel Platz zum Spielen hatten die Bewohner in ihren Zimmern nicht.
    Auf Julians Nachttisch lagen ein paar Bücher. Ich überflog die Titel, um herauszufinden, was er las. Ich wollte die Bücher für die anderen Kinder zurücklassen, aber bei einem Abstecher in der Buchhandlung würde ich sicherlich das Eine oder Andere finden, was ich ihm vorlesen konnte.
    »Alles andere soll Leon bekommen«, sagte ich, nachdem ich mich umgesehen hatte. »Und was er nicht möchte, können Sie sicherlich für ein paar andere Kinder gebrauchen.«
    »Das ist sehr nett von Ihnen.« Wirklich aufrichtig klang es nicht.
    Ich verabschiedete mich freundlich und machte mich wieder auf den Weg.
    Julian war mit seinen Untersuchungen schon fertig, als ich bei ihm im Krankenhaus ankam.

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