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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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die ganze Balkone einnehmen, ziehen in der Nacht vorbei. Die Gegend sieht nach Arbeitslosigkeit und sinnlos verbrachter Zeit aus. Als das Taxi vor einem Apartmenthaus hält, das neu und etwas Besseres zu sein scheint, und Sara sich etwas umständlich und widerwillig anschickt zu bezahlen, dreht Meret sich mit einem Mal heftig um: Habt ihr eigentlich auch manchmal das Gefühl, dass euch beim Onanieren die Toten zuschauen?

II.
    JANUAR BIS SEPTEMBER

 
    Vera
    1.
    Alles ist möglich, sagte der Schwarze an der Rezeption vom City View Hotel zu ihr, krempelte die Ärmel seines weißen Hemdes hoch und bot ihr ein noch kleineres Zimmer an, klein wie eine Fischdose und gleich hinter seiner Rezeption.
    Ich mag Frauen wie Sie.
    Frauen wie mich?
    Ja, Frauen eben, bei denen man sich gut benimmt.
    Er brachte einen rosa Wasserkocher, Teekanne und zwei Tassen auf ihr Zimmer. Es war die erste Woche im Januar.
    Kaum hatte er den Raum wieder verlassen, ließ Vera sich auf das schmale Bett fallen. Ungewollt kamen da die Bilder von früher zurück. Bahnhofshotel, oberster Stock, letztes Zimmer Nummer 27, am Ende des Gangs und vor langer Zeit. Die Erinnerung legte sich wie ein nasser, stinkiger Hund neben sie: In dem langen Flur haben sie den Lichtschalter nicht gefunden. Meret geht voraus und stößt sich an der Blumenetagere neben dem Etagenbad, bevor sie mit vier Fäusten gegen die Tür von Zimmer 27 schlagen. Als Karatsch öffnet, hat er noch Haare, aber schielt. Ist er müde oder versucht er nur den Blick gerecht zwischen zwei kleinen Mädchen zu verteilen? Er kommt in den Flur hinaus, ist vollständig angezogen und gibt ihr, Vera, einen Klaps auf den Hinterkopf, Meret einen auf den Arsch. Mit flacher Hand. Für kleine Mädchen macht Karatsch keine Faust. Ob bei ihm im Zimmer noch jemand ist? Nicht zu sehen. Suses Auftrag haben sie also nicht erfüllt, müssen nichts Schlimmes berichten. Später gehen sie nach unten, Karatsch, Meret und sie. Im Etagenbad schlabbert der große, gelbe Hund des Hotelbesitzers Schmidtke Wasser aus der Kloschüssel, und an der Bar spendiert Schmidtke ein Bier für Karatsch und zwei Gläser kalten Kaffee, jene verdammte Mischung aus Cola und Limo, nach der Vera und Meret süchtig sind wie alle kleinen Mädchen. Sie müssen vierzehn oder fünfzehn gewesen sein, damals, in jenem November. Vera auf dem Bett erinnerte sich. Zu dritt saßen sie an der Bar. Draußen auf der Straße flogen in der Dunkelheit Blätter auf, die jemand zu Haufen auf dem Gehsteig zusammengekehrt hatte. Meret beugte sich zur ihr: Richtig oder, wir haben doch seine Tür mit der Zunge aufgemacht? Beide fingen sie an zu lachen, bis Karatsch wütend wurde. Warum lacht ihr denn so? Wegen dem Wind, sagte sie, und Meret, wegen der Blätter. Gott, sind die beiden blöd, sagte Schmidtke, und in jenem Moment fiel in seiner Küche mit großem Lärm etwas herunter, so dass er eilig durch die Schwingtür hinter dem Tresen hatte verschwinden müssen.
    Hallo? Es klopfte noch einmal an Veras Tür.
    Darf ich? Wieder war es der Schwarze von der Rezeption.
    Er hängte einen weißen Bademantel in den Wandschrank, weil die Dusche auf dem Gang lag. Lassen Sie mich ein wenig Ihre Mutter sein, sagte er. Eine etwas verlegene Wärme floss bei seinem Vorschlag zwischen ihnen hin und her. Sie nickte und wusste, eines Morgens, aber noch vor Ende Januar, würde sie den karierten Billigkoffer mit den nötigsten Anschaffungen, die sie sich in London geleistet hatte, bei ihm an der Rezeption unterstellen müssen, ohne bis zum Abend zu wissen, wohin damit und wohin mit sich.
    Nieselregen fiel tags drauf wie fetter Nebel auf die Petticoat Lane, und der Schuhverkäufer nahm beim Reden das Streichholz nicht aus dem Mund. Five pounds, just because it is raining, sagte er, and never bring them back. Er warf die türkisen Sandalen auf das Stück feuchter Pappe, das für die Anprobe auf offener Straße auslag.
    Are you married?
    Vera steckte die Hände in die Taschen der Wildlederjacke und starrte das Streichholz zwischen seinen Lippen an, wie es anzüglich und gelangweilt hin und her wanderte. Was er von ihr dachte? Wahrscheinlich das Richtige. Sie hatte nicht genug Geld für türkise Sandalen, selbst wenn sie billig waren. Doch ab wann würden die Westernstiefel von Salomé Schreiner zu warm für das Wetter werden?
    Don’t be so shy. Der Verkäufer hob eine Sandale auf und hielt sie ihr mit drei Fingern hin, als solle sie daran riechen. Sie schüttelte den Kopf. Was für

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