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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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nach zwei kommt Jo mit zwei Kumpels und hält Karatsch eine SMS unter die Nase. Nachdem er gelesen hat, sagt Karatsch heiser, jetzt ist mein Vera-Mädchen doch noch richtig weggegangen, und recht hat sie. Woanders werden Berufsschullehrerinnen wie sie auch besser bezahlt. Du bist betrunken, sagt Jo, und Karatsch hebt die Hand, red keinen Scheiß, Sohn, sonst setzt es was. Ruf lieber mal da zurück. Mit dem Kinn zeigt er auf Jos Handy, und Jo sagt kühl, geht nicht, Nummer ist unterdrückt. Meret wirft sich eine Handvoll Erdnüsse in den Hals und schnappt sich das Handy. ALLES IN ORDNUNG. MUTTER , liest sie laut und lacht mit vollem Mund. Deine Mutti ist wahrscheinlich in England, Jo. Sara kichert und schlägt Karatsch vorsichtig auf den Unterarm, bis er ihre Hand wie einen verängstigten Vogel einfängt und festhält. Das ist nicht komisch, sagt er, niemand versteht mich. Die unterschwellige Beschwerde in seiner Stimme rührt Sara deutlich, und auch, wie er in sein Glas schaut, wie in einen Abgrund. Was habe ich getan?, fragt er den Rest vom Champagner oder die fremde Frau neben sich, und bevor sie etwas Tröstliches sagen oder machen kann, stemmt sich Meret noch einmal schwerfällig am Tresen hoch. Ihre Hände sind Fäuste. Dazu später, sagt sie streng und nicht ganz deutlich, jetzt erst mal zu mir, ich habe nämlich zwischen den Jahren wieder angefangen zu träumen.
    Bitte nicht, bitte nicht schon wieder, stöhnt Hannes auf.
    Gott, die ist ja noch genauso blöd wie früher, sagt Schmidtke mit seinem erschöpften, verwaschenen Gesicht, das mehr als ein halbes Leben über großen Töpfen gehangen hat.
    Kommt Vera drin vor, in dem Traum?, fragt Karatsch und lässt Saras Hand los.
    Meret schaut nur Hannes an: Mein Freund und ich sind in eine andere Stadt gezogen, sagt sie, in das Zimmer bei meiner Freundin, die beim Film gelandet ist, erinnern Sie sich, junger Mann? Beim schwedischen, sagt Hannes widerwillig. Dass du mal einen Freund hast, Meret, wenn auch nur im Traum, Glückwunsch, sagt Karatsch. Machst du denn das andere nicht mehr? Was?, Meret setzt sich langsam auf den Hocker zurück. Das von früher, Vögeln mit Fremden, sagt Karatsch, und niemand lacht außer Sara. Aber es ist ein professionelles Lachen, wie eine Belohnung, wie eine Medizin für Karatsch. Meret würgt es ab: Soll ich meinen Traum weitererzählen? Träume sind Schäume, sagt Sara, und Hannes’ Stimme verrutscht ein wenig, als er sich zu ihr beugt. Wer sagt das? Ihr Psychoanalytiker? Ach so, der?, Sara kichert wieder, ich war schon mal bei so einem, ich erinnere mich. Der hat mir aber nicht geholfen. Mit glänzenden Augen schaut sie Hannes an. Der wollte nur mit mir schlafen.
    Meret putzt sich laut die Nase und schaut danach in ihr Taschentuch. Dass mir das jetzt nur kein trauriges Taschentuch wird, murmelt sie und schreckt zurück, als Karatsch sie anfährt: Wer verdammt soll denn jetzt diese Freundin in deinem Traum sein? Merets Stirn wird rot. Weiß ich doch nicht, sagt sie leise hinter ihrem Taschentuch, ist aber sicher was Biografisches.
    Biografisch, biografisch, macht Karatsch sie nach, alles ist immer biografisch, auch die Tatsache, dass wir hier zusammen sitzen und eine fehlt, ist biografisch, wenn wir ehrlich sind. Alles, was wir machen, ist biografisch, selbst wie und warum wir einen Hund malen, ist biografisch.
    Oder wer uns zärtlich oder grob als Kind einmal angezogen hat, fällt ihm Meret ins Wort.
    Und wie viele Liebhaber uns deswegen später ausziehen dürfen, sagt Sara.
    Auch das ist biografisch, sagt Hannes, und dazu noch wirklich alles, was wir träumen, und verdammt auch, warum wir uns erinnern und nicht vergessen können.
    Alle starren ihn an.
    Sind Sie aber schlau, sagt Sara.
    Es geht, sagt Karatsch, der tut nur so.
    Ein lautes Schweigen ist plötzlich im Raum. Nur der tropfende Wasserhahn hinter dem Tresen ist lauter.
    Diese Freundin hat auf jeden Fall was mit meiner Kindheit zu tun, sagt Meret da als Erste wie in einen dunklen Schrank hinein. Sie dreht sich zu Karatsch. Alle Wärme ist aus ihrem Gesicht verschwunden. Hannes fasst vorsichtig ihren Ellenbogen, als hätte er Angst, sie könne ausschlagen oder wegfliegen.
    Die ist doch noch genauso blöd wie früher, wiederholt Schmidtke hilflos, und will übrigens noch jemand was trinken? Manche Geschichten werden nicht so klein, dass auch du sie verstehst, Schmidtke, faucht Meret ihn an, aber ich nehm trotzdem noch ein Glas auf Kosten des Hauses, und danke auch! Sie

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