Wünsche
Vielleicht sogar in einem Film. Er lachte verlegen, als sei er ab jetzt an diesen albernen Satz gefesselt, so dass ihm erst mal kein anderer mehr einfallen würde. Deshalb habe ich mich nach Ihnen umgedreht und so gesehen, dass Sie mir folgen. Und Sie?
Ich dachte auch, ich kenne Sie. Wenigstens Ihr heller Mantel kam mir bekannt vor.
Das klang noch alberner als das, was er gesagt hatte.
Der Mantel gehört mir gar nicht. Ich habe ihn heute Morgen von meinem Schwager geliehen. Wegen des Wetters.
Er steht Ihnen.
Er passt nicht zu mir. Wollen Sie was trinken?
Kennedy ging in die Küche und drehte das Radio aus. Das Klacken von Eiswürfeln, die ins Spülbecken rutschten, eine Schranktür, eine Schublade, das Klirren von Flaschenhälsen. Vera zog ein Sofakissen auf ihren Schoß. Wenn sie gleich oder später versuchen würde, aufzustehen und zu gehen, würde dieser Kennedy alles richtig machen. Vorsichtig würde er versuchen, sie auf das Sofa zurück zu drücken. Aber sie war aus der Übung und wusste gar nicht mehr, wie das ging, das mit der Liebe. Denn mit Karatsch war die Liebe in den letzten Jahren nur noch ein seltenes, kurzes Aneinandersein im Dunkeln gewesen. Ein freundschaftliches, schlafförderliches Entgegenkommen, kein Rausch.
Kennedy kam mit Whisky zurück. Rasch nahm sie das Kissen vom Schoß.
Wie alt sind Sie eigentlich?
Siebenunddreißig. Er setzte die Gläser ab und stützte die Rechte neben ihrem Kopf auf die Sofalehne. Kapuzensweater, Springerstiefel. Hatte er das vorhin auch angehabt? Und sie, hatte sie vor lauter Trenchcoat nicht den Rest Mann gesehen, der eigentlich zu jung für sie war?
Ich bin Ire, hatte Kennedy eine Stunde später gesagt. Seit er aus Afghanistan zurückgekommen war, überlegte er, sich bei einem der britischen Geheimdienste zu bewerben. Nicht bei MI 5 oder MI 6, sondern beim Ressort elektronische Hightech-Aufklärung des Communication Headquarter in Gloucestershire.
Gloucestershire? Vera wusste nicht, wo das lag. Kennedy zeigte mit dem Daumen nach oben links und ging wieder in die Küche. Sie folgte. Er öffnete den Kühlschrank. Darin lagen über ein Dutzend weißer Kerzen neben einer einzelnen Dose Bier.
Warum ausgerechnet Afghanistan?
Ist wichtig für die Karriere. Er schenkte Milch ein, auch für sie. Über dem Kühlschrank hing ein Vogelkäfig, der mit einem Küchentuch abgedeckt war.
Hat es dir nichts ausgemacht, auf Leute zu schießen?
Ich habe ja nicht immer getroffen.
Und dann?
Dann habe ich doch keine Analyse angefangen.
Er stellte die Milch zurück in den Kühlschrank. Übrigens, die Kerzen sind von meiner Ältesten, die hat sie gestern Abend selber gegossen. Wir sehen uns immer samstags, gehen hinunter zur Themse, zu den Vögeln und den angeschwemmten Schätzen im Schlick. Die meisten denken, das ist nur Müll, aber das stimmt nicht. Das weiß auch meine Älteste.
Wie alt ist sie denn?
Dreizehn.
Und die Jüngere?
Acht.
Geht sie nie mit?
Sie mag mich nicht leiden. Ganz die Mutter eben. Hast du auch Kinder?
Einen Sohn.
Wie alt?
Ziemlich alt. Sie zog einen Mundwinkel hoch, als müsse sie sich dafür entschuldigen.
Wo ist der?
In der Stadt, aus der ich komme.
Wie heißt die?
Ach, sagte sie.
Wann fliegst du wieder zurück?
Erst mal nicht. Ich suche eine Wohnung.
Sie steckte einen Finger durch die Gitterstäbe des Vogelkäfigs. Einer der beiden Kanarienvögel fing an, auf ihrem Fingernagel herumzupicken. Neben dem Käfig war ein Filmprogramm an den Hängeschrank geheftet. ERZÄHLBAR . Filmclub St John on Bethnal Green. Programm Januar–April. Kontakt: Reverend Jonathan.
Du kannst meine Wohnung für die nächsten Monate haben. Morgen um fünf muss ich wieder runter zum Einsatz. Schlüssel kann ich dir gleich mitgeben.
Machst du das immer so?
Nein, nie. Hast du eigentlich einen Mann?
Nein.
Wie kann das sein, dass du allein bist?
Sie zog den Finger aus dem Käfig zurück.
Wie hoch ist denn die Miete?
Miete will ich nicht, brauche ich nicht. Ich freu mich einfach, wenn du noch da bist, falls ich zurückkomme.
Du bist nett.
Meine Wohnung auch. Er lächelte. Ein Kabul-Lächeln, in einem Gesicht, dem es nicht an Selbstvertrauen fehlte
Aber wir kennen uns doch gar nicht, sagte sie.
Ja, wir kennen uns nicht, aber ich finde das schön, sagte er.
Montag am späten Nachmittag brachte Vera ihre wenigen Sachen zu Kennedys Haus. Er war am frühen Morgen fortgefahren. Warum er ihr die Wohnung überließ?
Weil er eine Blumengießerin für seine
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