Wünsche
getanzt für einen kleinen, verschworenen Kreis. Für Stilti Knalles, für Vera und ein bisschen auch für ihn.
Friedrich schaute auf den Bildschirm. Dort hatte es bereits Tote gegeben.
Ich weiß, warum sie weg ist, sagte Meret.
Jetzt bin ich aber mal gespannt.
Wegen mir.
Sicher nicht, Meret, hatte er da gesagt. So wichtig bist du schon lange nicht mehr.
Für wen? Sie starrte ihn an.
Brauchte sie Hilfe? Brauchte sie nicht, beschloss er.
Danke auch, sagte sie.
Wie schlimm er sie fand, wenn sie ihn dann so mit diesem kalten, allzu wissenden Ausdruck von Kindern anschaute, die weder lächeln noch sprechen. Gefühlte fünf Stunden hatte sie regungslos so dagesessen, feierlich, unfreundlich, fast schon tot. Sie hatte an dem Abend etwas Buntes getragen und war ihm trotzdem wie ein Stück veralteter Konfektion vorgekommen, die in irgendwelchen Provinzkaufhäusern Sommer um Sommer in den Schaufenstern weiter ausbleicht, ohne dass jemand sie haben will.
Statt sich zu entschuldigen, hatte er unbeholfen eine Geste aus seinem Repertoire altmodischer Zärtlichkeiten ausprobiert. Mit einem Finger hatte er ihr über den Oberarm gestrichen. Ich glaube, Leute verschwinden, wenn sie nicht wissen, wohin sie gehören, hatte er dabei gesagt und war dann rasch auf sein Zimmer gegangen.
Friedrich zog eine zweite Bierkiste neben Merets. Sie schlug die Beine übereinander.
Hast du schon was getrunken, Schwester?
Ein leises, beleidigtes Klirren und Knirschen kam zur Antwort aus den Musikboxen im Gebüsch. Meret schwieg und starrte an ihm vorbei auf das Ende der kurzen Kastanienallee, wo die Nackte aus Bronze am Rand ihres Teichs auf der Schildkröte herumbalancierte. Daneben stand Fräulein Möller mit einer ersten Kasserolle Lasagne, begrüßt von Pfiffen und Applaus. Hannes ließ sich neben Friedrich auf einen dritten Bierkasten fallen. Er drückte auf eine Fernbedienung. Musik setzte ein.
Hast du bitte mal Feuer?, sagte Meret und beugte sich über Friedrich hinweg zu ihm, als sei sie mit Hannes allein. Ritsch, nochmals ritsch. Für einen Moment sah Friedrich, wie nah Meret und Hannes sich kamen. Er drückte Rücken und Hinterkopf gegen die Hauswand, um nicht zu stören. Nami Main in seinem schwarzen Anzug stand nicht weit entfernt, sehr still bei dem Bogen mit den Kletterrosen. Die Rasenfläche dahinter giftete hell und grün. Jemand musste einen Farbfilter vor den Scheinwerfer geschoben haben.
Ich hab hier noch was für dich, sagte Hannes und stieß ihn mit dem Knie an, einen Vorschlag, zum Geburtstag. Das könnte dir gefallen. Er holte sein iPhone heraus.
Das Holzboot auf dem Foto lag an einem unbefestigten Flussufer und spiegelte sich umgeben von hohen Tannen in der glatten Oberfläche des Wassers.
Mein Traum – der Ort, sagte Hannes. Jeder braucht so einen Plan B.
Friedrich nickte. Cabins nennt man das in Amerika, sagte er. Meine amerikanischen Kollegen von früher haben fast alle so etwas, oft auch als Ship Cabins, wie deine da.
Und auch in Kanada.
Ja, oft, sagte Friedrich.
Wir sollten uns so etwas anschaffen, wir beide. Oder wenigstens eine Hütte hier im Bergischen, sagte Hannes.
Warum?
Man muss einfach mal verschwinden dürfen, oder?, sagte Hannes. Machst du mit?
Aber verschwinden kann man doch nur allein, sagte Meret mit einer Stimme, als hätte sie keine Seele. Sie schaute erst Friedrich, dann Hannes an. Doch wer weiß, vielleicht klappt das ja mit euch beiden. Ist ja ’ne echte Männerfreundschaft. Da muss man sich ja nicht verstehen, da muss man sich nur mögen.
Beim Rondell fingen zwei Lehrmädchen in ihren Caprihosen an zu tanzen. Die eine bewegte sich zur Musik, als erreichten Klang und Rhythmus sie tief, tief unter Wasser. Während sie sich ohne innezuhalten wie ein Derwisch drehte, zauberte sie geschickt einen gelben BH unter ihrem Shirt hervor, um ihn der Nackten aus Bronze über die pyramidenförmigen bemoosten Brüste zu ziehen. Eine Haarsträhne strich sie dabei hinter das Ohr, um ihre Nummer mit dem BH für geglückt zu erklären. Das hatte etwas Graziöses und Gemeines zugleich.
Ich glaub, ich muss gleich schlafen, sagte Meret, ich glaub, ich muss jetzt träumen. Aber vorher noch Folgendes. Sie beugte sich in Friedrichs Gesicht. Ihr Atem roch nach Nikotin und Veilchen. Ich schenk dir zum Geburtstag keinen Fluchtort. Ich schenke dir meine Kollektion OMO für Haus Wünsche. Echt Prêt-à-porter, du wirst sehen.
Du kannst Französisch, Schwester?
Wieder stieß Hannes ihn mit dem Knie, und
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