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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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brauche noch ein paar gute Portraitaufnahmen.
    Kaum dass Friedrich auf dem Hocker gesessen hatte, war er sich aber seines Bauchgefühls nicht mehr ganz so sicher gewesen. Er starrte in die Kamera. Was, wenn er hier dem eigenen Konkurs zuarbeitete? Locker bleiben, sagte der Fotograf, immer locker bleiben, und Friedrich hatte im Blitzlicht seine Füße von der linken auf die rechte Seite geschoben.
    Und Ihre Schwester?, hatte ihn der Redakteur noch gefragt.
    Was soll mit meiner Schwester sein?
    Ihr gehört Haus Wünsche laut Testament zu neunundvierzig Prozent.
    Wir sind keine Aktiengesellschaft, sondern Geschwister. Friedrich war längst wieder aufgestanden.
    Was denken Sie eigentlich, was Ihre Mutter von all dem hier halten würde?, fragte der Redakteur und knöpfte sein Jackett zu. Friedrich zuckte mit den Schultern.
    Sie meinen, es müsste grundsätzlich mehr Mitbestimmung für die Toten geben?
    War geklaut, der Satz, von Hannes. Schade, dass der nicht mit dabei war. Dann wären sie zu zweit. In einer Situation wie dieser galt: Zwei sind acht.
    In dem Schweigen, das folgte, war Friedrich vor den beiden Herren von der Lokalpresse her Richtung Drehtür gegangen.
    Kaum hatte Fräulein Möller hinter den beiden Herren von der Lokalpresse die Drehtür abgeschlossen und war dabei wieder wie ein junges Mädchen in die Hocke gegangen, da beeilte sie sich, Friedrich das letzte Mandarinentörtchen auf dem Packtisch zu servieren.
    Wir tun doch hier alles für Sie, Chef, hatte sie gesagt.
    Er hatte die Knie gegen die Verkleidung des Ladentischs gedrückt. Warum er sich eigentlich schon immer gewünscht hatte, diesen Laden hier zu übernehmen, hatte er nicht erzählt.
    Das Nilgrün von Wolle, das Indischblau von Seide, das Mohnrot von echtem Samt und die quellwasserhellen Gazestoffe hatten ihn schon als Kind von fernen Landschaften träumen lassen, wenn die großen Lieferungen aus dem Ausland kamen und diese Kaskaden von Stoffen mit dem Geräusch von rauschendem Wasser in den Keller flossen. England, Elsass, Lyon, Flandern, Indien. Baumwolle, Seide, Wolle, Leinen. Alles war mit einem dumpfen Wumms tief unten in Haus Wünsche gelandet, während er, dreizehn und manchmal in Clubjacke, daneben stand. Auf gleicher Höhe mit dem Pflaster des Bürgersteigs befand sich damals der Zugang zum Keller, sauber vergittert und verglast, und eine Rutsche, deren Holz und Eisenteile von der Reibung der Kisten und Ballen wie poliert glänzten, führte hinab in den Schlund der Warenannahme. Eines Nachmittags kurz vor Weihnachten waren Meret, er und Vera hinter einer Lieferung aus Manchester her gerutscht. Zu der Zeit war Friedrich bereits davon überzeugt, sowohl die Fantasie eines Dichters als auch die Risikobereitschaft eines Spekulanten zu haben es eines Tages mit viel Wumms im Leben zu etwas zu bringen. An jenem kalten Dezembernachmittag hatte er, im Keller angekommen, gleich angefangen, die neuen Stoffballen übereinanderzuwerfen, als bereite er ein Feuer vor. Nach wenigen Sekunden lag eine wild leuchtende Farbskala über den Lagertischen ausgebreitet. Nur nicht die Augen schonen, meine Damen, rief er Meret, Vera und den umstehenden Verkäuferinnen zu und freute sich, dass seine selbstgemachte Feuersbrunst aus Stoffen etwas Zügelloses und fast Obszönes hatte. Rot, grün, gelb, rief er, nur nicht ängstlich sein, wer Angst hat, hat verloren! Bei dem Satz hatte er nur Vera angeschaut, und Meret hatte zu lachen angefangen, hoch, hell, hysterisch fast.
    3.
    Als Friedrich in den Garten kam, war Hannes gerade dabei, mehrere Bauscheinwerfer und die Musikanlage von Karatsch im Park aufzustellen.
    Karatsch selber lässt sich entschuldigen, sagte Hannes und klopfte auf eine der Boxen. Der Sohn kommt heute zurück.
    Ein erstes buntes Herbstlaub, das von den Kastanien gefallen war, lag als Dekoration auf den Biertischen. Neben dem verblühten Hibiskusbusch schloss Hannes ein Mikrofon an.
    Hält jemand eine Rede?
    Man weiß ja nie, sagte Friedrich.
    Der Garten war bis auf einen verfrühten Gast noch leer. Er stand nur wenige Schritte von Friedrich entfernt in einem schwarzen Anzug herum und lächelte entschuldigend, wenn ihre Blicke sich trafen. Nami Main, ein Ex von Meret, den die Leute in der Stadt früher den Punk-Perser genannt hatten. Nami Main, auch genannt Mimi, betrieb die Lottoannahmestelle am Marktplatz, wenige Schritte von Haus Wünsche entfernt, wo er jeden Freitag mit seinen deutschen Stammkunden darauf trank, dass samstags immer die

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