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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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lassen.
    Meret?
    Da, bitte. Sie hatte das Bündel Banknoten in der Hand und hielt es ihm hin.
    Was ist los, willst du jetzt auch ein Haus kaufen?
    Nein, sagte sie, kein Haus. Dich.
    Was?
    Mach irgendetwas dafür, Hannes.
    Was denn?
    Etwas, das sich wie Liebe anfühlt.
    Hannes’ Hand, die eben noch entspannt, groß und dicht neben ihrem nackten Oberschenkel gelegen hatte, spreizte sich jetzt hässlich, während er vor ihr stand.
    Wie meinst du das?
    So. Sie griff nach der Hand, mehr eine Kralle, und legte sie sich auf den Kopf. Beide schauten einander an, jeder von seiner Seite des Lebens.
    Folgender Vorschlag, schöne Frau, sagte Hannes und zog die Hand zurück. Mach einfach mal was Vernünftiges im Leben, Meret. Hab einmal auch für andere einen guten, klugen, hilfreichen Gedanken, nicht immer nur dieses Aufblitzen von Empfindungen, die zu nichts führen. Schneide deinem Bruder die Haare und quäl ihn nicht immer nur. Putz Fenster, stopf Socken, bring neue Griffe an eurem Hängeschrank in der Küche an, reparier den Speiseaufzug, den du selber vor Jahrzehnten kaputt gemacht hast, weil du zu fett warst, um noch damit zu fahren.
    Du Sau, sagte Meret. Das mit dem Speiseaufzug hatte gesessen. Die ganze Rede hatte gesessen. Exakte Mitte, hätte Kneidl gesagt. Mit dreizehn war sie wirklich eines Tages zu groß gewesen, um zusammengerollt und selig wie am Tag zuvor auf einem Essenstablett zwischen den Stockwerken von Haus Wünsche herumzureisen. Worauf hatte sie damals eigentlich gewartet, wenn sie in dem dunklen Schacht auf- und abfuhr? Wollte sie noch mal geboren werden? Oder sterben? Oder war es um etwas anderes gegangen, das weniger endgültig war, aber mehr ängstigte oder mehr beschwingte als Geburt und Tod?
    Trink einfach weniger, sagte Hannes jetzt, steh früher auf und produzier von deiner eigenen Kollektion, wie gestern mal wieder für Friedrich und in den Wind hinein versprochen, endlich mehr als nur das eine Musterkleid, das eh niemandem passt, der älter als fünfzehn ist, und beschimpf deswegen nicht immer deine kleinen Schneiderinnen. Du warst doch angeblich selber mal eine. Mach einfach mal was Undramatisches, schöne Frau, was Nützliches, und versuch nicht wie besessen jeder Situation das große Gefühl abzuringen. Die Gegenwart ist meistens dünn. Wir alle haben Gefühle. Meistens eignen sie sich nicht zur Veröffentlichung. Wir anderen schlucken sie runter, oft auch ohne Alkohol.
    Schnauze, du Sau, sagte Meret. Er ging zur Tür.
    Die Jacke, sagte er, die kannst du mir morgen zurückgeben.
    4.
    Die Dämmerung war längst Dunkelheit geworden. Als Meret durch den Hausflur ging, war da plötzlich der Geruch nach Curry und Putzmittel, nach Blumenwasser, das erneuert werden muss, nach Pfeifentabak und langen Sommerabenden, an denen Mädchen, die hier nie wohnten, im Garten Federball spielen, bevor sie in ihre Stockbetten kriechen und unter rauen Wolldecken vom Roten Kreuz fluchen oder weinen. Waisenkinder, sagte Meret laut im Flur, Waisenkinder.
    Im Bad von Großmutter Eugenie brannte die indirekte Beleuchtung und streute trübe Stimmung über die altrosa Kacheln. Das Haus der Großmutter war das Haus ihrer Kindheit, nicht Haus Wünsche. Haus Wünsche ist Friedrichs Terrain. Meret setzte sich auf die geschlossene Kloschüssel und starrte ins Bidet mit dem Sprung, in dem sie sich als Kinder die Füße gewaschen hatten, Friedrich und sie. Zu Hause hatten sie auch ein Bidet, aber das war nicht für Füße. Wofür denn, hatte sie Stilti Knalles gefragt.
    Erklär ich dir später.
    Meret hielt eine Hand vor den Mund und prüfte ihren Atem, dachte an den Zahnarzt, der einmal ihr Liebhaber gewesen war. Morgens hatte sein Kuss zum Abschied nach Zahnpaste geschmeckt. Eine Frau muss zwanzig Mal am Tag geküsst werden, damit sie jung aussieht, hatte er immer gesagt. Was für ein umsichtiger Mann, aber auch das war lange vorbei. Sie stand auf und schluckte kurz darauf in der Küche ein Aspirin. Laut Packung, die sie selber einmal hier hatte liegen lassen, war das Medikament seit drei Jahren abgelaufen. Nacht drängte gegen das Küchenfenster. Was sollte sie jetzt tun? Über die Farbe Grau nachdenken? Auf einen nächsten Kondensstreifen am Himmel warten, auf morgen, wenn es wieder hell werden würde? Oder sollte sie auf die alte Zeitung, die sie vor Wochen neben einer angebrochenen Packung Kekse auf dem Küchentisch hatte liegen lassen, ein Gesicht malen? Welches? Das von Hannes, das vom Zahnarzt, ihr eigenes? Oder das

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