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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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sagt er, bevor ihn der erste Schlag traf. Dabei hatte er nichts anderes getan, als mit dem Ausweis in der Hand herumzuwedeln, der in ihrer Abwesenheit zufällig herumgelegen hatte. Die da auf dem Foto ist ja bildhübsch und bestimmt überhaupt nicht spröde, hatte er zu Vera gesagt. Warum erzählst du mir nichts davon, wenn wir so aufregenden Besuch haben? Sie hatte ihm den Ausweis aus der Hand gerissen und zugeschlagen. Im Sitzen spielt er ihre Attacke vor. Rechts, links, Jack, box, Jack, box. Man ist selten früher nicht hübscher gewesen, hatte sie dabei geschrien und gleich noch einmal ausgeholt. Ich schwör’s, sagt Kennedy, die beiden da sind meine Zeugen. Er zeigt auf eine bedruckte Tasse im Abwasch. Prinz Charles und Lady Di. Sie lächeln als Hochzeitspaar aneinander vorbei.
    Was haben Sie dann gemacht?, fragt Friedrich Wünsche.
    Ich habe einfach ihre Hände festgehalten und Stopp gerufen, Stopp, stopp!
    Was war denn das für ein Ausweis?
    Ihr eigener, aber Salomé war auf dem Foto viel jünger.
    Und? Wünsche schluckt. Und sie?
    Bei dem Sie denkt er so laut, dass Jo den Namen Vera hört.
    Hat geweint, sagt Kennedy, weil sie so erleichtert war. Endlich hatte mal jemand in ihrem Leben Stopp gerufen.
    Versteh ich nicht, sagt Karatsch.
    Ich auch nicht, sagt Kennedy.
    Aber ich, sagt Friedrich Wünsche.
    Er steht auf und öffnet das Küchenfenster.
    Jo stellt sich neben ihn. Bisher war Friedrich Wünsche ihm fast egal. Jetzt mag er ihn plötzlich.
    Den Ausweis hat sie dann gleich am Tag drauf verloren, sagt Kennedy, und es hat eine Woche gedauert, bis sie einen neuen hatte. Mit dem ist sie dann weg.
    Kennedy stellt sich ebenfalls ans Fenster und hebt die Hand, um einen rothaarigen Fensterputzer im Haus gegenüber zu grüßen, der die Verglasung der Außenflure reinigt.
    Der Neue von meiner Ex, sagt er, der putzt bei der Stadt.
    Aus einer Nachbarstraße der Bancroft Road kommt die mechanische Melodie eines Glockenspiels, die ein Rudel dunkeläugiger Kinder aus Häusern, Höfen und Aufgängen lockt. Eins trägt Schlafanzug, ein anderes Pampers ohne was drüber. Der Eiswagen kommt, und zwei Minuten später überquert auch Jo die Straße und stellt sich mit den Kindern an. Die Karosserie eines ehemaligen Wohnmobils ist beklebt mit Donald Ducks und halbnackten Frauen, alle eingefroren in dem Moment, in dem sie ein Eis essen, das zu groß für sie ist. Nice and Creamy, old and Dreamy steht über dem Verkaufsfenster. Das C für Cold ist abgefallen. Zu Hause bei Karatsch auf halbem Hang gibt es keine solchen Wagen, gibt es keine schmuddeligen Verführer, sondern nur geräumige Tiefkühltruhen mit selbstgemachtem Schokoladen- und Pistazieneis nach Schweizer Rezeptur. Warum sagt niemand zu Kennedy, dass die Salomé, die in London ihr Eis am Wagen holt, daheim in Karatschs Keller eine solche Tiefkühltruhe hat und eigentlich Vera heißt? Mit einer Eistüte Angelina Jolie XXL geht Jo zurück zu Kennedys Haus. Der dickliche Pakistani mit dem Fischfutter ist aus seinem Garten verschwunden. Dafür steht jetzt ein kaputter Biedermeierstuhl beim vergitterten Teich. Über der Lehne hängt ein Spültuch.
    Trocknen Spültücher mit Löchern schneller als Spültücher ohne Löcher?
    Und was ist mit der anderen Frage?
    Jo stößt die Tür zu Kennedys Haus mit dem Fuß auf.
    Es fühlt sich richtig an, dass sie es ihm nicht sagen.
    4.
    So, sagt Meret, gleich ist es zehn. Was machen wir jetzt?
    Reden, sagt Vera, er heißt Kennedy.
    Wegen dem bist du zurückgekommen?
    Auch. Obwohl ich eigentlich wegen ihm hätte länger bleiben wollen.
    Meret stellt ihr eine Tasse mit Kaffee hin.
    Sieht er gut aus?
    Er ist Soldat. Jetzt hat er gerade Urlaub. In vier Wochen ist er wieder da unten.
    Wo ist denn da unten ?
    Immer woanders.
    Und dieses Mal?
    Priština.
    Priština?
    Wahrscheinlich spricht Meret das Wort zum ersten Mal in ihrem Leben laut aus.
    Vera zieht die Beine an und merkt, wie ihr Bauch unter der Wolldecke gegen die Schenkel atmet.
    Das Camp in Priština heißt Film City.
    Soll das ein Witz sein?
    Nein. Das Hauptgebäude des Camps war früher ein Filmstudio, in dem auch die Winnetou-Produktionen geschnitten wurden.
    Wie geil ist denn das? Meret klatscht in die Hände, und Vera findet, sie ist zu alt für das Wort geil.
    Hat er eigentlich wegen dir Urlaub genommen?
    Sag mal, wo lebst du eigentlich, Meret?
    Wieso?
    Der Mann ist im Krieg. Vera setzt die Füße wieder auf den Boden.
    Außerdem wird er gerade Vater.
    Jetzt sitzt Meret wie ein

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