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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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ich früher als erwartet zurückgekommen. Ich glaube, es wurde ihr hier zu eng.
    Aber sie hat Sie nicht geschlagen, sagt Karatsch.
    Doch.
    Kennedy greift an Karatschs Gesicht vorbei und nimmt das Küchentuch vom Käfig. Karatsch ist vor seiner Hand zurückgezuckt. Zwei Kanarienvögel sitzen auf einer Stange dicht beieinander und plustern sich auf. Als sie das Gefieder schütteln, klingt es wie das kurze Aufsurren einer elektrischen Zahnbürste.
    Die beiden Vögel habe ich wegen meiner Töchter. Mich allein kommen sie nicht so gern besuchen.
    Kennedy zieht mit dem Fuß einen Küchenstuhl zu sich heran, setzt sich und massiert sein linkes Knie. Es riecht nach Chicken Curry und Sweet Corn. Verpackungen verschiedener Lieferdienste stapeln sich auf der Spüle. Im Spülbecken weicht ein Topf mit Bolognesesoße ein. Über dem Hängeschrank ist ein Wasserfleck an der Decke, und jemand hat lose Tapete in den vier Ecken des Raums mit Stecknadeln fixiert. Das muss eine Frau gewesen sein.
    Sicher ist Mutter älter geworden.
    Warum hat meine Frau Sie geschlagen?, fragt Karatsch wieder.
    Kennedy auf dem Küchenstuhl bewegt jetzt mit drei Fingern vorsichtig seine Kniescheibe unter den Jeans. Um die Geschichte abzukürzen, sagt er, ich habe diese zwei Töchter. Sie leben auf einem Hausboot, Nähe Victoria Park, am Regent’s Canal, bei meiner Ex. Keine schlechte Gegend für Kinder. Krähen und Kormorane kommen vorbei. Manchmal auch ein Reiher. Den kennen die Kinder schon, und er kennt sie. Meine Ex wohnt bei ihrem neuen Kerl und hat noch ein Kind bekommen. Wir haben uns vor einem halben Jahr getrennt, aber ich bin der Vater. Das Kind ist zu früh gekommen. Deswegen bin ich auch zu früh zurückgekommen.
    Er macht eine scharfe Bewegung mit dem Kopf: Von da unten.
    Da unten?, fragt Friedrich Wünsche.
    Nicht schön da, sagt Kennedy, aber muss man mal gewesen sein. Ist wichtig für die Karriere.
    Was ist wichtig?
    Kabul, sagt Kennedy.
    2.
    Alles hatte er richtig gemacht.
    So sehr richtig, dass Vera einen Anfall von Zärtlichkeit sich selbst gegenüber bekam. Seinen Lippen hatte sie im März bereits angesehen, dass er küssen konnte. Sie waren kindlich und etwas kummervoll, und als er sie letzte Woche auf dem braunen Cordsofa endlich auszog, war es eigentlich schon Herbst. Sie spürte, wie weich ihre Haut war, ohne sich selber berühren zu müssen. Die ungeküssten Küsse, die seit Monaten ihr System verstopften, wollten alle auf einmal hinaus. Was sie an dem Nachmittag taten, als er unangemeldet zurückkam und vor seiner eigenen Tür stand, hinter der sie seit Monaten allein wohnte, hatte nichts von der atemlosen Heftigkeit, mit der früher ein Mann über sie oder sie über Männer hergefallen war. Manchmal bereits im Hausflur und noch mit Kaugummi im Mund. Vor allem schnell musste es damals gehen, so als wollten beide rasch durch den anderen hindurch, um ihn ein für alle Mal hinter sich zu lassen.
    Alles in Ordnung? Funktioniert die Heizung, der Herd? Stört dich mein Hiersein?, hatte er sie gefragt und auf den Mundwinkel geküsst. Sein Gepäck stellte er in der Diele ab, als warte er als unangemeldeter Gast darauf, dass sie ihm einen Platz zuwies.
    Ein Zimmer weiter stand das Bett. Es blieb unberührt.
    Du denkst zu viel, hatte er irgendwann gesagt, mein Sofa wackelt davon.
    Als sie an dem Morgen danach zur Arbeit ins Krankenhaus ging, hatte hier, in einem blassen, silbrigen Licht, wieder dieser Vorrat an Tag in der Luft gelegen, so wie dort drüben, in dem anderen Leben, das sie verlassen hatte, schon lange nicht mehr. Alles schien noch möglich zu sein. Der Himmel war klar und leuchtend und blau. Die Luft hatte wie eine aufgeschnittene Wassermelone geschmeckt. Es wird bereits kühl, sagten die Menschen auf der Straße, während sie zur U-Bahn liefen. Sie hatten es auf Englisch gesagt.
    9   :   17. Der Digitalwecker neben Friedrichs Bett leuchtet Vera entgegen. In London ist es eine Stunde früher. Vera dreht sich auf die andere Seite. Mein Gott, ja, als ließe sich an dieser Zeitverschiebung irgendetwas erkennen.
    Auf dem Dachfenster liegt das Licht eines frühen Herbstmorgens. Sie schaut an sich herunter. Weiße gestopfte Damastbettwäsche, darunter die Konturen einer Frau, die die Knie angezogen hat. Du hast Pech, hat Meret gestern Nacht gesagt, du musst hierbleiben. Deine Männer sind nach London, auf dem Weg zu dir. Friedrich ist mit. Du kannst in seinem Zimmer schlafen. Oder willst du lieber ins Bahnhofshotel?
    Als sie noch

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