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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Blut. Seine Augen schienen nichts wahrzunehmen, als er seinen Finger mit dem Blut seines Mundes betrachtete. Die Geste hatte etwas so Erbärmliches, dass Abayomi zu weinen begann. Ifasen beobachtete, wie die Tränen über ihr Gesicht liefen, doch er konnte sich nicht dazu bringen, etwas zu sagen.
    Abayomi fand zuerst ihre Stimme wieder. »Es tut mir so leid, Ifasen. Es tut mir so unendlich leid, mein geliebter Mann. Mein Mann, den ich so sehr liebe und vergöttere. Es tut mir so wahnsinnig leid. Ich habe Sunday unsere Ersparnisse gegeben. Er war im Gericht, um deine Kaution zu zahlen. Angeblich will er sie bezahlt haben. Aber … Es tut mir so leid, geliebter Mann …«
    »Meine Frau«, brachte Ifasen mühsam hervor. »Was ist mit unserem Geld geschehen? Ich bin nicht auf Kaution freigelassen worden. Man hat mich hierbehalten.«
    Abayomi antwortete nicht. Sie sah ihn gequält und schuldbewusst an. Tiefe Linien zeigten sich auf ihrer Stirn und in ihren
Mundwinkeln. Wieder schwiegen beide und starrten aneinander vorbei ins Leere.
    Um die Tränen zu dämmen, begann Abayomi nach einer Weile wieder zu sprechen. »Ich bin übrigens zur Namenszeremonie gegangen. Sie haben den Jungen Orobola Adamu genannt, sein Heimatname ist Oluwa. Das sind gute Namen, Ifasen.«
    »Ja, das sind gute Namen«, wiederholte er langsam, als ob es ihm körperliche Schmerzen bereite, die Worte in seinem Mund zu formen. Er schien beinahe überrascht zu sein, den Klang seiner eigenen Stimme zu hören. »Das sind schöne Namen für einen Jungen, Okeke. Ich freue mich, dass du dort warst.« Seine Stimme war tonlos und ohne Ausdruck. Er merkte, dass er unglaubwürdig klang. Zwar meinte er, was er sagte, aber er besaß nicht die Kraft oder vielleicht auch nicht den Willen, interessierter zu erscheinen.
    Er hätte ihr so gern seine frühere Stärke gezeigt. Als sie sich kennenlernten, war sie Schülerin der letzten Klasse der Oberstufe gewesen, während Ifasen bereits als junger Referendar unterrichtet hatte. Er hatte sie nie im Unterricht erlebt, aber sobald er auf dem Schulcampus aufgetaucht war, hatte sie ihr Augenmerk auf ihn gerichtet, was Ifasen nicht entgangen war. Seine hochgewachsene Gestalt hatte ihre Aufmerksamkeit erregt, und er erwischte sie mehrmals dabei, wie sie ihn während einer angeregten Diskussion mit anderen jungen Lehrern beobachtete. Er sprach damals mit einer Ernsthaftigkeit über Philosophie und Geschichte, als könnten seine Ansichten eine Auswirkung auf das Weltgeschehen nehmen. Er argumentierte wie der Anführer einer Partei und nicht wie ein Referendar für Geschichte der Mittelstufe.
    Sein Eifer und seine Leidenschaft wirkten ansteckend. Schon bald hatte er eine Gruppe von Schülern und Lehrern um sich versammelt, die in den Mittagspausen erhitzte Diskussionen
führten. In dieser Zeit wurde mehr gelernt als während des gesamten Vormittagsunterrichts, wie einer seiner Kollegen einmal stichelnd bemerkte. In gewisser Weise entsprach das durchaus der Wahrheit, denn die Gespräche reichten von der aktuellen Politik und Wirtschaftslage über Religion bis hin zu komplizierten philosophischen Fragen.
    Abayomi hielt sich zuerst im Hintergrund und beobachtete die größer werdende Gruppe voll Interesse. Sobald sie ihr ebenfalls beigetreten war, hatte sie augenblicklich eine starke Wirkung auf Ifasen. Ihre trockenen, respektlosen Kommentare faszinierten ihn. Er fing an, sie während der Treffen direkt anzusprechen und sie um ihre Meinung zu bitten, die er oft teilte. Erst später wurde ihm bewusst, dass sein Interesse an ihr in der Gruppe jedem klar gewesen sein musste, denn die Art und Weise, wie er ihr zuhörte und lächelte, wenn sie sprach, war mehr als eindeutig. Er hatte versucht, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, da er als Lehrer der Schule sein Gesicht wahren musste. Doch schon bald wusste er, dass er sich in diese schwer einschätzbare und selbstbewusste Schülerin rettungslos verliebt hatte.
    Seltsamerweise wurde er sich Abayomis atemberaubender Schönheit erst bewusst, nachdem er sich eingestanden hatte, emotional von ihr gefangen zu sein. Insgeheim fragte er sich allerdings, ob ihre Schönheit nicht doch von Anfang an eine Rolle gespielt hatte. Bewusst aber nahm er ihre äußere Erscheinung erst wahr, nachdem er ihr geistig schon längst verfallen war.
    Die Erkenntnis, sich in eine derart hinreißende Frau verliebt zu haben, war anfangs beängstigend gewesen. Er fürchtete, seine Freunde und Bekannten könnten ihn

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