Würde - Roman
unhöflich und abweisend, aber Richard konnte nicht anders.
Sunday beugte sich verschwörerisch vor. » Odu. Tut mir leid, aber du und ich, wir haben ein Geschäft zu besprechen. Ein Problem, mein Freund, das wir miteinander teilen. Obwohl die Henne schwitzt, kann man nicht immer ihren Schweiß sehen, mein …«
»Bitte, Sunday«, unterbrach Richard. »Keine Sprüche, kein Slang. Sag mir einfach, warum du hier bist. Welches Problem sollten wir miteinander teilen?«
Trotz der heiteren Art seines Gegenübers konnte Richard nicht umhin, sich über ihn zu ärgern. Sunday versuchte offensichtlich, ihn in ein gemeinsames Problem hineinzuziehen, das es in Wahrheit gar nicht geben konnte . Er dachte an seine Geschäftspartner, an seine Familie, an Amanda. Dieser Mann musste dringend hier weg - und zwar so schnell wie möglich.
Sunday schien Richards Anspannung zu spüren, denn er schwieg einen Moment lang, schenkte sich Wasser ein und betrachtete dann interessiert die Flüssigkeit in seinem Glas - als ob es sich dabei um einen teuren Wein handelte. »Unser Problem, mein Freund, heißt Abayomi«, sagte er nach einer Weile und sah ihm direkt in die Augen.
Richard spürte, wie sich die Muskeln in seiner Brust zusammenzogen. Etwas Hinterlistiges lag in dieser auf den ersten Blick so harmlos klingenden Bemerkung. Konnte das eine Drohung sein?
»Wie du weißt«, fuhr Sunday ruhig fort, »ist unsere Abayomi ein Flüchtling. Sie besitzt in diesem Land keinerlei Rechte.« Der Slang und die Sprüche waren tatsächlich verschwunden. »Sie muss jedes Jahr ihre Aufenthaltsgenehmigung erneuern lassen.
Und jetzt ist es wieder so weit. Sie hat allerdings kein Geld, um zu zahlen. Und sie ist zu stolz, um darum zu bitten.«
Sunday hatte sein Anliegen klar und deutlich auf den Tisch gelegt. Jetzt beobachtete er Richard aufmerksam, ob dieser ihn auch richtig verstanden hatte. Befriedigt mit dem Ergebnis, verfiel er wieder in seine übliche Art des Sprechens. »O! Es werden wieder bessere Tage für Okra-Suppe kommen, garantiert. Du wirst die Edikang Ikong essen und dein Leben genießen, so wahr dir Gott helfe.«
»Wie viel?« Richard spuckte die beiden Worte in den Raum wie abgebrochene Zähne in eine Schüssel. Ihm schossen wirre Gedanken durch den Kopf: Er dachte an die ungreifbare Bedrohung, die dieser Mann in seinem Büro darstellte, an Abayomis Deportation zurück nach Nigeria und an das Geld, das er vermutlich nie wiedersehen würde. Doch gleichzeitig beruhigte ihn zumindest die Vorstellung, dass Abayomi sein Verhalten würdigen würde. Vielleicht würde sie ja von seiner Großzügigkeit erfahren und sich bei ihm bedanken, indem sie ihm mehr Zuneigung schenkte. Die Idee, dass sie in seiner Schuld stehen könnte, gefiel ihm. Ein Teil der Kontrolle würde somit in seine Hand übergehen. Vielleicht war das der Preis, den er zu bezahlen hatte. Vielleicht war das der Preis, wenn man alles auf einmal wollte.
»Wie viel?«, wiederholte er ungeduldig.
»Du bist kein Slacki , was, Bruder? Die Eule ist der klügste Vogel. Je mehr sie sieht, desto weniger sagt sie , no bi ?« Sunday seufzte theatralisch. »In Naira wäre es zu viel, um es zu zählen. Aber in Rand sind es fünfzehntausend. Ich würde es natürlich selbst übernehmen, wenn ich könnte. Aber ich kann nicht. Sie hatte zwar etwas Geld, aber das ist weg. Natin spoil. «
»Fünfzehntausend Rand!«, platzte Richard heraus. Die Summe war deutlich höher, als er angenommen hatte.
»O! Die haben einen großen Hals, mein Freund, den sie nicht voll genug kriegen. Hat nichts mit mir zu tun. So ist nun mal die Währung. Das ist natürlich Tapping , Bruder. Aber dieses Opfer müssen wir bringen.« Sunday hob entschuldigend die Hände. »Ich bin kein Jiga , Bruder. Aber sonst kommen die Kerle in einigen Tagen und bringen sie in ein Lager. Dann ist sie für immer weg. Ich verliere meine gute Freundin, und du verlierst dein Babi .«
Diese Bezeichnung für Abayomi ließ Richard zusammenzucken, und er spürte, wie sich seine Wangen rot färbten. Sunday fuhr fort, als ob er nichts bemerkt hätte. »Die Egunje ist nicht groß, mein Freund. Du musst das Geld zusammenbringen. Die Götter hören nur einen Wunsch, nicht mehrere auf einmal.«
Richard dachte daran, dass er vielleicht eines Tages die Beziehung zu Abayomi abbrechen würde. Aber momentan war das für ihn unvorstellbar. Allein der Gedanke, sie plötzlich zu verlieren, dass andere sie ihm ohne Vorwarnung wegnehmen könnten, kam ihm
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