Würde - Roman
für sie ausgewählt worden. Obwohl Ifasen
sie inzwischen mit ihrem Igbo-Namen rief, hatte er es zuerst, als er sie kennenlernte, geliebt, die runden Vokale ihres Yoruba-Namens auszusprechen und zu hören. Sie hatten kurz nach ihrem Kennenlernen zum großen Entsetzen seiner Eltern geheiratet, und Abayomi war sechs Monate danach mit ihrem bisher einzigen Kind schwanger geworden.
Khalifah wurde in Abeokuta zu einer Zeit geboren, als es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen kam. Der schwelende Konflikt führte schließlich unter General Obasanjo zu einem offenen Kampf. Er zog sich über viele Jahre und brachte Tausenden den Tod. Kurz bevor Abayomi schwanger wurde, hatte die Ermordung eines bekannten Hausa-Führers die Gewalt in Nigeria erneut geschürt und im Süden des Landes große Flüchtlingsprobleme ausgelöst. Zwangsläufig kam es zu Ausfällen gegen die Igbo, was Abayomi dazu bewog, in dem bollwerkartigen Haus seines Vaters Hussain in Abeokuta Zuflucht zu suchen. Unter demselben Dach wie Ifasens Eltern leben zu müssen, stellte sich für die jungen Leute als höchst belastend heraus, da Abayomi von Na’imah mehr als einmal daran erinnert wurde, wie wenig ihr familiärer Hintergrund dem Ifasens entspräche.
Als ihr Sohn geboren wurde, beschloss das Paar, ihn Khalifah zu nennen, um Ifasens Familie Respekt zu erweisen. Trotzdem warf Na’imah ihrer Schwiegertochter weiterhin finstere Blicke zu, wenn sie hörte, wie diese das Baby mit seinem zweiten Namen, Michael, ansprach. Abayomi flüsterte bei solchen Gelegenheiten Ifasen jedes Mal »dreckiger Köter« zu, aber er hörte auf zu lächeln oder ihr hinterherzujagen. Stattdessen wirkten seine Augen traurig und bedrückt, wenn er sah, wie seine Mutter ihre faltigen Lippen schürzte und mit dem Kopf Richtung Himmel wies, als wäre sie debil, während sein neugeborener Sohn, in eine Wolldecke eingewickelt, in seinen Armen lag.
Jetzt rief er nach seinem Sohn, wobei er die christliche Variante seines Vornamens wählte, um seine Frau nicht noch einmal zu verärgern. Er winkte das Kind zu sich, das nur kurz vom Küchenboden aufblickte und sich dann wieder seinen Farbkringeln zuwandte. Vielleicht spürte es, dass es nur eine Spielfigur in der Auseinandersetzung seiner Eltern sein sollte, und verweigerte sich.
Die Geste, das Neugeborene Khalifah zu nennen, war von Ifasens Familie nicht einmal gewürdigt worden, und Ifasen wusste, dass seine Frau ihre Großherzigkeit inzwischen bereute. Seit ihrer Flucht nach Südafrika nutzte sie jede Gelegenheit, um ihrem Unmut darüber Ausdruck zu verleihen, obwohl sie inzwischen Tausende von Kilometern von den Großeltern entfernt waren. Die drei waren geflohen, nachdem die Stimmung gegen die Igbo immer schlechter wurde. Wie unsicher ihre Lage selbst in Abeokuta war, wurde ihnen bewusst, als eines Tages die Militärpolizei auftauchte, um Abayomi nach den Verstrickungen ihres Bruders in die Bewegung Freies Biafra zu befragen.
Abazu war aus Nigeria geflohen, kurz nachdem General Abacha die Macht übernommen und die Wahlen für ungültig erklärt hatte. Die Annullierung der Wahlen war international kritisiert worden, und Abazu hatte als junger Journalist seiner Meinung Ausdruck verliehen, indem er in der örtlichen Zeitung einen scharfen Artikel über die Militärjunta veröffentlicht hatte. Einem ausländischen Korrespondenten stach der Artikel ins Auge, und er schickte ihn an die englische Times . Dort wurde er neben dem Leitartikel abgedruckt, der Abacha bezichtigte, sein Versprechen einer demokratischen Wahl nicht gehalten zu haben. Außerdem erschien der Artikel auch auf der Webseite der Zeitung. Angeblich ordnete General Abacha daraufhin persönlich Abazus Verhaftung an - eine zweifelhafte Ehre für einen jungen Aktivisten, der das Land in einem Fischerboot verlassen
hatte. Inzwischen lebte Abayomis Bruder in Amsterdam, wo er sich gemeinsam mit anderen nigerianischen Flüchtlingen ein winziges Loch von einem Zimmer teilte. Trotzdem war er noch immer einer der Hauptaktivisten der Bewegung Freies Biafra .
Hätten die Obeyis nicht ein so hohes Ansehen genossen, wäre Abayomi höchstwahrscheinlich verhaftet worden. Doch der örtliche Polizeichef schickte nur zwei seiner Beamten zum Haus der Familie - einen Geheimdienstbeauftragten in Zivil und einen uniformierten Polizisten. Ohne Vorankündigung klopften die beiden eines Tages an die Tür. Na’imah begrüßte sie würdevoll und erlaubte ihnen
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