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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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unterschob. Abayomi hatte mit gesenktem Kopf auf den Zementstufen eines Lebensmittelladens gesessen. Der Staub hatte ihre Knie weiß gefärbt, und sie hatte aus Enttäuschung und Fassungslosigkeit geweint. Khalifah war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal zwei Jahre alt gewesen.
    Inzwischen hatte der Junge seinen vierten Geburtstag gefeiert, und Ifasen machte sich immer mehr Sorgen. Obwohl Abayomis Einkommen für die Schulgebühren reichen würde, gab es in Südafrika wenige Möglichkeiten für Immigranten. Ifasen befürchtete,
dass die Zukunft seines Sohnes nicht viel besser aussehen würde als seine eigene.
    Er hörte, wie seine Frau die Zeichenkünste des Jungen lobte. Sie warf Ifasen durch die Küchentür hindurch einen Blick zu, forderte Khalifah aber nicht auf, das Bild seinem Vater zu zeigen.
    Die Vorabendserie näherte sich mit einer Reihe von einfallslosen Einzeilern, unterlegt von eingespieltem Gelächter, ihrem Ende. Ifasen wartete gereizt auf die Nachrichten, die folgen sollten. Er war sich der Spannung in der beengten Wohnung mehr als bewusst.
    In Abeokuta hatte das junge Paar Kraft aus seinen Unterschieden geschöpft. Vom ersten Moment an hatten sie das Unbekannte im anderen geliebt. Ihre Zuneigung entsprang einer Faszination und Neugierde für die Andersartigkeit ihres Gegenübers. In einer Gesellschaft, die ihre Verbindung skeptisch, ja feindselig beäugte, waren sie bereit gewesen, den anderen jederzeit zu verteidigen, als ob ein Angriff auf einen von ihnen einen Angriff auf ihre ganze Beziehung bedeutete. So hatten sie auch aus dem Wunsch heraus, Ifasens Familie davon abzuhalten, ihre Verschiedenartigkeit gegen sie zu verwenden, stets eine unzertrennliche Einheit gebildet.
    Doch als sie die Sicherheit ihrer Heimat hinter sich ließen, um den afrikanischen Kontinent zu durchqueren, verloren sie ihr Vertrauen in den anderen. Sie spürten die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, vermochten aber nicht, den Grund dafür zu nennen. Die kleinsten Dinge führten nun zu Auseinandersetzungen. Inzwischen vermittelte ihnen ihre Verschiedenheit nicht mehr Kraft und Stärke, sondern riss sie auseinander - jeden Abend, jede Nacht, jeden aufwühlenden Streit nach dem anderen.
    Ifasen starrte auf den Bildschirm. Eine junge Moderatorin
mit einem freundlichen Gesicht lächelte einladend und räusperte sich, ehe sie mit monotoner Stimme die Nachrichten des Tages vortrug. Eine Autobombe war in Pakistans Hauptstadt explodiert und hatte zahlreiche Menschen in den Tod gerissen. Auf dem Bildschirm zeigten sich versteinert dreinblickende Journalisten, die auf einem Marktplatz standen und auf ein weit verteiltes Durcheinander aus Abdeckplanen und Särgen zeigten, während sie versuchten, das tragische Ereignis in Worte zu fassen. Die Dürre in Australien bedrohte noch immer die Existenz vieler Schaffarmer. Inzwischen hatte sich zudem ein Feuer in den begrünten Randgebieten von Sydney ausgebreitet. Die Aufnahmen vom Hubschrauber aus zeigten graue Rauchschwaden, die aus dem Wald darunter aufstiegen. Der amerikanische Präsident traf sich mit seinem chinesischen Amtskollegen. Die beiden Männer grinsten sich grotesk an, erstarrt in einem Händeschütteln, während die Blitzlichter aufleuchteten und die Kameras filmten. Die bevorstehende Rugbytour nach England wurde von einigen bürokratischen Hindernissen überschattet, da der junge schwarze Flügelstürmer keinen gültigen Pass hatte und die britischen Behörden nicht gewillt waren, eine Ausnahme zu machen. Die jeweiligen Beamten bezichtigten sich nun gegenseitig der Inkompetenz und des Rassismus.
    »Man kann es wirklich kaum glauben, dass wir hier in Afrika sind«, schimpfte Ifasen vor sich hin. » Chei! Ich wette mit dir: Abuja könnte im Niger versinken, und wir würden das hier als Letzte erfahren. Dieses Land kümmert sich um nichts, was irgendwie afrikanisch ist - es sei denn, es geht um Sport. Da interessieren sie sich allerdings auch nur für dieses bescheuerte Spiel mit dem eiförmigen Ball. Was ist nur los mit diesem Land?«
    »Du klingst wie deine Mutter«, meinte Abayomi aus der Küche. Sie wusste, dass ihre Stimme einen scharfen Unterton angenommen hatte. In letzter Zeit reagierte sie immer gereizter
auf die Klagen ihres Mannes. »Kannst du dich noch erinnern, wie sie zwei Minuten lang den Nachrichten im Radio gelauscht und sich dann beschwert hat, dass niemand die Schariagesetze einhalte? Wenn sie etwas länger gewartet hätte, wäre bestimmt eines

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