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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Junge auf dem zerkratzten Küchenboden saß, Wachsmalkreiden um sich verteilt hatte und das weiße Blatt Papier vor ihm voller Farbe war. Er spürte, wie sich sein Herz zu öffnen begann.
    » Okeke «, sagte er leise, als ob er befürchtete, ein ungewünschter Eindringling zu sein. »Ich bin wieder da.«
    »Hallo, Ifasen«, antwortete Abayomi ebenso sanft. Sie blickte auf und lächelte. Keiner von ihnen erkundigte sich jemals danach, wie der Arbeitstag des anderen verlaufen war. »Ich mache gerade obe - und Sunday hat Fisch für uns aufgetan.«
    Ifasens Miene verdüsterte sich, als er den Namen des Mannes hörte, der die Wohnung mit ihnen teilte. Abayomi hatte sich bereits wieder dem Herd zugedreht.
    »Michael«, sagte sie und wandte sich an den kleinen Jungen, der im Schneidersitz auf dem Linoleumboden saß. »Begrüße deinen Vater. Er ist nach Hause gekommen und …«
    »Ich wünschte, du würdest ihn nicht so nennen«, unterbrach Ifasen seine Frau. »So heißt er nicht. Du weißt, wie sehr mich dieser Name ärgert.«
    »Ifasen«, erwiderte Abayomi scharf und holte tief Luft. »Hör auf damit. Chei! Er wird in diesem Land nie Fuß fassen, wenn wir ihn weiterhin Khalifah nennen.« Ihre Stimme klang gereizt, als hätte sie auf seine Bemerkung gewartet. »Das weißt du genau. Ich muss dir das nicht noch mal erklären. Das ist kein Land für Khalifah, das ist ein Land für Michael. Weshalb sonst sprechen wir zu Hause Englisch? Deshalb sind wir hier … und leben so, wie wir das tun.«
    Einen kurzen Moment lang zitterte ihre Stimme, und der
kleine Junge blickte zu ihr auf. Er spürte die Wut seiner Mutter. Sie hielt inne und versuchte, ihren Ärger zu bändigen. »Bitte, Ifasen. Haba? Lass uns nicht wieder davon anfangen. Nicht heute Abend.«
    »Du hast recht«, antwortete Ifasen. Er bemühte sich, seine Heimkehr nicht zu ruinieren. Doch es fiel ihm schwer. Seine Worte klangen gepresst. Das Kind merkte nichts von den Qualen des Vaters, sondern wandte sich wieder seinem Bild zu. Dicke Farbstriche verliefen im Zickzack über das Papier. Ifasen spürte, wie das Herz in seiner Brust heftig pochte und seine Fingerspitzen kribbelten. Abayomi warf ihm einen trotzigen Blick zu, ehe sie den Kopf schüttelte und ihm den Rücken zudrehte, um wieder in dem köchelnden Eintopf zu rühren.
    Ifasen ließ die Sache auf sich beruhen und ging in das vollgestellte Wohnzimmer hinüber. Er schob mit dem Knie einen zerschlissenen Sessel beiseite und schaltete den Fernseher an. Auf dem Bildschirm erschien eine amerikanische Vorabendserie - samt eingespieltem Gelächter und hohlem Gerede. Er setzte sich. Sein Körper versuchte es sich auf den rostigen Federn bequem zu machen. Der Abend war durch den kurzen Schlagabtausch mit seiner Frau bereits zerstört. Mit halb geschlossenen Lidern blickte er auf die Mattscheibe, ohne etwas wahrzunehmen.
    Die Auseinandersetzung darüber, wie sie ihren Sohn nennen sollten, erinnerte ihn an eine Unzahl von anderen schmerzhafteren Themen, zu denen auch die Frage nach ihrer mehr oder weniger frei gewählten Verbannung aus der Heimat gehörte. Ihre Liebe und die darauf folgende Hochzeit hatten seine Familie aufgewühlt. Das Heilen dieser Wunden und das Überwinden der Kluft zwischen dem jungen Paar und Ifasens Eltern war durch kleine Gesten und Kompromisse nur mühsam und bei weitem nicht vollständig gelungen.

    Es erstaunte Ifasen noch immer, dass seine Mutter selbst in den furchtbaren Zeiten, in denen sich Nigeria bei ihrer Hochzeit befand, die Kraft dazu hatte, sich mit dem angeblich minderwertigen Familienhintergrund seiner jungen Frau zu beschäftigen. Während in den Provinzen rohe Gewalt herrschte, die immer wieder zu brutalen Übergriffen führte, hatte Na’imah an der Liebe der beiden wie ein altes Weib gezupft, das die Fäden aus einer kaputten Strickjacke herauszieht. Doch jung wie sie beide waren - Abayomi war zu diesem Zeitpunkt erst einundzwanzig -, vermochte niemand, ihre Verbindung zu lösen oder auch nur in Frage zu stellen.
    Ifasens Eltern waren stolze Hausa muslimischen Glaubens. Sein Großvater war ein islamischer Gelehrter gewesen, dessen Interpretationen des Koran und seiner Lehren weithin verbreitet und respektiert waren. Sein Vater, Hussain, trug noch das traditionelle weiße Kleid und besuchte jeden Morgen die Moschee, ehe er sich auf den Weg zur Arbeit machte. Seine Mutter Na’imah verbrachte einen Großteil ihrer Zeit damit, in schärfster Weise ihr Missfallen über all jene zum

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