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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Kiefern zu erkennen, die ursprünglich als Brennholz eingeführt worden waren und sich
jetzt um die weißen Steinblöcke des Rhodes-Denkmals drängten. Richard suchte den Grasabhang in der Nähe der Straße nach Anzeichen von Wildtieren ab. Er entdeckte eine kleine Herde Gnus, die im Schatten der Bäume lag, sowie zwei Steppenzebras, die Schnauze an Schnauze dastanden und sich nicht rührten. Die Parkverwaltung hatte sämtliches Damwild abgeschossen, das von Cecil John Rhodes eingeführt worden war. Doch die grauen Eichhörnchen und die vielen Stare, ebenfalls von den Kolonialherren hierhergebracht, waren noch immer in der ganzen Stadt verbreitet.
    Ihm wurde bewusst, dass er eine weitere halbe Stunde bis nach Hause brauchen würde. Auf einmal fühlte er sich von der Arbeit erschöpft, und die Vorstellung, einen Abend zu Hause zu verbringen, bedrückte ihn. Er war einen Großteil des Tages mit Svritsky zusammen gewesen und war Akten und Dokumente durchgegangen, um nach Widersprüchlichkeiten zu suchen, die zu dessen Vorteil genutzt werden konnten.
    Sein Klient hatte sich kaum interessiert gezeigt und sich geweigert, sein Handy auszuschalten. Immer wieder war er aufgesprungen und durch Richards Büro gelaufen, während er auf Russisch in sein Telefon brüllte. Zweimal hatte er auch Richards Festnetz benutzt, ohne ihn vorher um Erlaubnis zu fragen. Jedes Mal hatte er sich ausführlich und laut unterhalten. Richard war sich sicher, dass es sich um Auslandsgespräche handelte, und nahm sich vor, sie unter den Extraausgaben auf seiner Rechnung zu vermerken.
    Richards Sekretärin Nadine hegte eine heftige Abneigung gegen Svritsky und weigerte sich strikt, irgendetwas mit dem Russen zu tun zu haben. Sie war eine drahtige, geschiedene Frau mit einem harten Gesichtsausdruck, die eine Zigarette nach der anderen rauchte. Obwohl sie fast nie an ihrem Schreibtisch zu sein schien und meist ihrer Sucht nachging, schaffte sie es, Richards
Leben mit einer geradezu erschreckenden Effizienz im Griff zu haben. Von anderen - einschließlich Richard - erwartete sie eine ähnliche Kompetenz und Tatkraft und wirkte oft kurz angebunden, denn Vergesslichkeit, Ungenauigkeit und Verwirrtheit waren Dinge, die für sie einem Altersschwachsinn gleichkamen. Ihre Unwilligkeit war in dieser Hinsicht unerbittlich.
    Die anderen Angestellten der Kanzlei und manchmal selbst die Partner fürchteten sich vor Nadine. Sie arbeitete nun seit über zehn Jahren für Richard, und die beiden waren zu einer stillen Übereinkunft im Umgang miteinander gekommen, die die Spannungen zwischen ihnen auf ein Minimum verringerte. Svritsky jedoch belastete ihre Beziehung stark und trieb es manchmal so wild, dass sie ganz daran zu zerbrechen drohte. Einmal, vor etlichen Jahren, hatte er schwankend unter Richards Bürotür gestanden und ihm mit lauter Stimme erklärt, dass er diese »alte Schachtel« endlich loswerden und sich stattdessen eine Sekretärin »mit prallen Titten und vollen Lippen« holen solle. Nadine hatte ihn hasserfüllt angesehen und war dann für den restlichen Nachmittag verschwunden, wodurch sich Richard gezwungen sah, eine andere Schreibkraft zu organisieren. Nach der nächsten Konsultation verschwand Svritskys silbernes Feuerzeug, das er auf Richards Schreibtisch hatte liegen lassen. Richard zweifelte keinen Moment daran, dass es von Nadine entsorgt worden war.
    Richards Partner zeigten sich ebenfalls wenig begeistert, wenn es um Svritsky ging. Einige Wochen zuvor hatte Igshaan Solomons bei einem Meeting auf die Gefahr einer schlechten Presse hingewiesen, die der Kanzlei durch einen solchen Klienten drohen könne. Er hatte eine herablassende Miene aufgesetzt, mit mahnender Stimme gesprochen und Richard behandelt, als ob diesem die Feinheiten der modernen Rechtspraxis bisher verschlossen geblieben wären. Igshaan hatte betont, dass ein
derartiger Klient vor allem zu einem Zeitpunkt ein ungünstiges Licht auf die Kanzlei werfen könne, wenn die anderen Partner versuchten, verstärkt wichtige Firmenkunden zu akquirieren. Dabei hatte er Selwyn Mullins einen bedeutsamen Blick zugeworfen.
    Selwyn war Seniorpartner und hatte die Kanzlei mitbegründet. Wie ein altes Schlachtross besaß er die Erfahrungen und Narben eines langen Lebens voll juristischer Scharmützel. Normalerweise saß er bei jeder Vorstandssitzung am Kopfende des Konferenztisches und hörte schweigend zu, wie sich sein Nachwuchs zankte. Selwyn tat sich nicht leicht, die angebliche Wichtigkeit

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