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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ein nicht unbedeutendes Einkommen sicherte - und zwar sowohl selbst als auch durch seine Kontakte zur Unterwelt. Der Russe bedeutete einen steten Geldfluss, und Richard hatte dank seines Mandanten nicht nur hohe monatliche Zielvorgaben, er konnte sich auch sicher sein, dass die Rechnungen, die er stellte, beglichen wurden. Nach der Schließung ihrer Liegenschaftsabteilung und dem Aufkommen engagierter inoffizieller
Steuer- und Arbeitsrechtsfirmen im ganzen Land waren prozessfreudige Klienten, die noch dazu zahlten, ausgesprochen wertvoll.
    Deshalb duldeten die Partner Svritskys Namen in ihren Büchern. In dem Meeting war allerdings ausgesprochen worden, was Richard seit langem vermutet hatte: Seine Kollegen beobachteten seine strafrechtliche Betätigung mit spöttischer Herablassung, und sie würden sie nur so lange tolerieren, wie sie Geld in die Kassen spülte. Insgesamt betrachteten die meisten Partner der Kanzlei Strafrecht als kein vollwertiges Recht, sondern nur als notwendiges Übel neben solch wichtigen Bereichen wie Wirtschafts- oder Verwaltungsrecht. Bedeutsame juristische Fragen wurden in den heiligen Hallen des Obersten Gerichtshofes verhandelt, und zwar in Talaren und Perücken, während das Strafrecht sein armseliges Dasein in den schäbigen Korridoren der Bezirksgerichte fristete. Richards Partner erkundigten sich nie nach seinen Fällen, gratulierten ihm ebenso wenig zu seinen Erfolgen und sprachen nur über sein Spezialgebiet, wenn der Name der Kanzlei in Zusammenhang mit einem unrühmlichen Fall in die Zeitungen geraten war.
    Er spürte diese Geringschätzung schon seit langem. Aber anfangs hatte sie ihm nichts ausgemacht. Der leicht zwielichtige Wettstreit eines Strafprozesses hatte ihn viel zu sehr fasziniert: Der Einsatz war stets hoch, die Öffentlichkeit interessierte sich für die aufsehenerregenden Details, und die Meute dürstete nach Blut. Richard war sich lange Zeit wie ein Krieger vorgekommen, ein Gladiator in einer glänzenden Rüstung, der in den Ring stieg und sich immer wieder von Neuem der gigantischen Staatsmaschinerie stellte.
    Damals hatte ihm ein Sieg auch persönlich viel bedeutet. Und er war ihm leicht erschienen. Ein aufgeweckter Anwalt, der sich einer unterbezahlten Polizei und einer desinteressierten Staatsanwaltschaft
gegenübersah, vermochte die zwangsläufigen Mängel im Prozessverlauf und die Lücken in der Beweisführung zu seinem Vorteil zu nutzen. Er hatte Formulierungen wie »wo Gummi auf heißen Asphalt trifft« oder »die schmutzige Seite des Rechts« verwendet, um Freunden und Bekannten seine Tätigkeit zu erklären. Er verstand sich selbst als ein Mann, der die Arbeit verrichtete, vor der andere zurückschreckten. Anfangs war er es gewesen, der Wirtschaftsrecht als etwas ausgesprochen Künstliches und übermäßig Intellektualisiertes verspottet hatte.
    Seit einiger Zeit war er die ewigen Konfrontationen vor Gericht allerdings ebenso leid wie die gnadenlos subjektiven Darstellungen eines Tathergangs, die ihm seine Klienten lieferten. Die Siege kamen ihm weniger großartig und bedeutsam vor.
    Einer seiner Klienten hatte ihn vor kurzem um Rat wegen einer Kündigung gefragt, und Richard hatte sich spontan dazu entschlossen, sich zur Abwechslung einmal am Arbeitsrecht zu versuchen. Sein Auftritt vor dem Arbeitsgericht war jedoch nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Er hatte es versäumt, in der Vorbereitungsphase eine wichtige eidesstattliche Versicherung abzugeben. Die Antragstellung wurde vertagt, um ihm Zeit zu geben, diesen Fehler zu korrigieren, und er hatte sich gezwungen gesehen, Candice, die Juniorpartnerin der Kanzlei, um Hilfe zu bitten, da sie sich normalerweise um das Arbeitsrecht kümmerte. Sie spürte seine Beschämung und kam beim Meeting des Vorstands nicht auf die Angelegenheit zu sprechen, sondern nahm nur diskret die Akte an sich. Noch jetzt lief es Richard kalt den Rücken hinunter, wenn er an diesen Zwischenfall dachte.
    Der Verkehr hatte sich wieder in Bewegung gesetzt. Immer mehr Autos verschwanden in den Seitenstraßen, die zu den Wohngegenden führten. Die Straße ging um eine Kurve zu den grüneren Hügeln der südlichen Vororte, wo es Alleen aus Föhren, Sumpfeichen und Platanen gab.

    Richard fuhr jetzt schneller, fühlte sich aber noch immer unruhig. Nach der Konsultation mit Svritsky hatte er einen jungen Klienten und dessen Mutter getroffen. Die Polizei hatte den Jungen und seine Freunde auf der Straße angehalten. Unter dem Sitz ihres

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