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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Wagen stank geradezu nach Angeberei, und doch ertappte sich Richard immer wieder dabei, wie er ihn noch Monate später verstohlen aus den Augenwinkeln begutachtete.
    Jetzt saß er in seinem eigenen Auto und kam sich eingesperrt wie ein Haustier vor. Während er darauf wartete, dass der billige koreanische Untersatz vor ihm in die Gänge kam, verspürte er nichts mehr von der Vitalität, die er sich vom Kauf des Wagens versprochen hatte. Stattdessen kam es ihm jetzt fast lächerlich vor, so tief unten zu sitzen, die Pobacken nur wenige Zentimeter vom Teerbelag der Straße entfernt. Er war zwischen dem menschlichen Ausfluss gefangen, der aus der Stadt wie Eiter aus einer Wunde quoll. Um ihn herum stauten sich die vollen Wagen mit jeweils fünf bis sechs Mitfahrern, die allesamt versuchten, nach Hause zu gelangen. Die praktischen Gesichtspunkte, unter denen die meisten ihre Transportmittel gewählt hatten, standen
im krassen Gegensatz zu seinem protzigen Wagen. Er glaubte zu sehen, wie einige der Vorbeifahrenden hämisch grinsten, als sie von ihren höher liegenden Taxis und Bussen zu ihm herabblickten. Er stellte sich vor, wie sie sein gealtertes Gesicht, sein dünner werdendes Haar und die Tränensäcke unter seinen Augen in dem Sportwagen musterten, der eigentlich besser zu einem jungen Kerl gepasst hätte.
    Im Seitenspiegel bemerkte er das grelle Licht eines Mopeds, das sich zwischen den stehenden Fahrzeugen hindurchschlängelte und auf ihn zukam. Ein Mann mittleren Alters auf einer Vespa tuckerte an ihm vorbei. Man konnte unter dem Helm seinen fleckigen Bart ausmachen. Seine Strickjacke und eine Proviantbüchse waren mit elastischen Gummibändern hinter ihm auf dem schmalen Sitz festgezurrt. Er wirkte wie ein übergroßer Erwachsener auf einem Kinderrad, die Beine wie die Flügel einer Fledermaus von sich gestreckt.
    An einem anderen Tag hätte so jemand Richard vielleicht amüsiert, doch heute war er verdrossen und gereizt, so dass er beim Anblick des kleinen Motorrollers, der sich durch die erhitzte Luft zwischen den anderen Fahrzeugen wackelnd einen Weg bahnte, einen richtiggehenden Hassanfall verspürte. Das lächerliche Aussehen des Mannes schien Richards Eindruck von sich selbst als konservativ und rechtschaffen nur noch zu unterstreichen, jene einengende Befangenheit, die sowohl seinen Schutzwall als auch sein Gefängnis darstellte. Wie frei könntest du sein, dachte er, wenn du aufhören würdest, die beobachtenden Blicke der anderen zu bemerken. Oder dich darum zu scheren.
    Doch als er das orangegelbe Licht eines weiteren Motorrads sah, das sich wieder von hinten näherte, drehte er instinktiv das Lenkrad ein wenig zur Seite, so dass der Bug des Wagens einige Zentimeter nach rechts fuhr und den freien Streifen zwischen
den wartenden Autos verstellte. Es geschah beinahe unbewusst, unbeabsichtigt, wie er kleinlich behauptet hätte. Der Motorradfahrer trat heftig auf die Bremse, als ihm klar wurde, dass die Lücke zu klein war, und blieb auf Höhe von Richards geschlossenem Fenster stehen.
    Im Vergleich zu dem windigen Roller wirkte das Motorrad riesig. Der Motorblock war gewaltig, und die Verkleidung schimmerte in einem aggressiven Orange. Die Miene des Fahrers wurde durch das Visier des Helms und eine dunkle Sonnenbrille verdeckt. Er hatte den Reißverschluss seiner Lederjacke bis zum Hals zugezogen. Immer wieder drehte er am Gas und brachte so den Motor auf Touren, der kehlig fauchte, bis Richards Tür zu surren begann. Der Oberschenkel des Mannes befand sich ganz in der Nähe der Wagenscheibe, und sein Körper ragte bedrohlich über Richard in seiner Sitzschale. Die unausgesprochene Aggressivität schüchterte Richard ein. Seine Hände fühlten sich trotz der Klimaanlage feucht an. Widerstrebend drehte er das Lenkrad auf die andere Seite, so dass sich die Lücke wieder öffnete, als sich der Verkehr einige Meter weiterschob.
    Mit einem letzten tiefen Fauchen des Motors ließ der Fahrer die Kupplung los, und das Bike schlängelte sich flink an ihm vorbei. Richard meinte zu sehen, wie der Mann seinen behelmten Kopf schüttelte, aber er war sich nicht sicher. Das Rücklicht des Motorrads war schon bald zwischen den Blechhüllen verschwunden, die in der nachmittäglichen Sonne vor sich hin brüteten.
    Der Verkehr kroch um die Flanke von Devil’s Peak. Das alte englische Blockhaus stand auf dem Kap und blickte auf die Bucht hinunter. An den unteren Hängen des Berges waren Gruppen dicht aneinander wachsender

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