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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Grinsen zu ihr hoch, ihre Blicke strichen gierig über die Beine der Tänzerin, die regungslos in den Zigarettenrauch und das schummrige Licht über den Köpfen ihrer Zuschauer schaute. Ihre Brustspitzen zeichneten sich unter der weißen Schulmädchenbluse deutlich ab. Ein bauschiger Bommel wackelte vor ihrem Schoß hin und her, gehalten von einem durchsichtigen Plastiktanga.
    In diesem Moment ließ das Aufblitzen des Stroboskops nach, und ein rotgelbes Licht erhellte auf einmal die Bühne. Die fieberhafte Einführungsmusik verwandelte sich in einen langsameren,
erwartungsvolleren Beat. Einige Männer begannen im Rhythmus des Takts zu klatschen und beobachteten gespannt die Tänzerin.
    Richard saß in einiger Entfernung in einem Séparée aus gepolstertem schwarzem Leder. Gedankenverloren folgte er der Vorführung auf der Bühne, nippte an seinem Bier und gab zwischendurch zustimmende Laute von sich, während David Keefer neben ihm ununterbrochen redete.
    Richard war seit vielen Jahren nicht mehr in einem solchen Club gewesen, im Grunde nicht mehr seit Studentenzeiten, als er selbstbewusst und betrunken derartige Etablissements besucht hatte. Als er mit David im Taxi vor dem imposanten Gebäude eingetroffen war und den muskulösen Türstehern zugenickt hatte, war er ähnlich aufgeregt wie damals gewesen. Doch diese erste Spannung hatte sich rasch gelegt. Jetzt verspürte er nur noch Langeweile. Zweifelsohne besaß die Mischung aus Männern, Alkohol und nackten Tänzerinnen etwas Schlüpfriges und beunruhigend Lustvolles. Aber das Aufreizende, die nicht greifbare Phantasie eines erotischen Tanzes, war auch deprimierend und letztlich ebenso entwürdigend für das Publikum wie für die Tänzerinnen.
    Richard spürte, dass er nicht hierhergehörte, obwohl überall einflussreiche und wohlhabende Männer zu sehen waren. Das hier war keine Ansammlung von Arbeitern und Mechanikern, hierher kam die angesehene Mittel- und Oberschicht in Anzügen und modischen Labels. Trotzdem konnte er den Gedanken nicht abschütteln, dass seine Gegenwart dem Ganzen einen anderen Stempel aufdrückte - als ob er einer Kaste von moralisch integren Männern angehörte, denen eine solche Szene unvertraut und geschmacklos erscheinen musste. Er wandte sich ab, da er befürchtete, dass man die Verachtung in seiner Miene sehen und ihn dafür verspotten könnte.

    Eine Kellnerin lief mit einem Tablett voll leerer Gläser und Flaschen an ihnen vorbei. Ihre Brüste drückten sich gegen den nassen Plastikrand. Die Mischung aus schamloser Nacktheit und den ausgelaufenen Bierresten hatte etwas Verstörendes. Richard konnte nicht anders, als die Frau anzustarren. Für einen kurzen Moment erwiderte sie seinen Blick, zeigte aber keinerlei Reaktion. Vermutlich war sie daran gewöhnt, beobachtet zu werden.
    In einem anderen Séparée, in dem mehrere Sofas in einem Kreis angeordnet waren, gab eine groß gewachsene, gertenschlanke Tänzerin einer Gruppe laut lachender Geschäftsmänner eine Privatvorführung. Sie drapierte sich gekonnt auf den Schoß eines Mannes und drückte ihre feuchte Haut gegen sein Gesicht. Die anderen Kerle grölten und feuerten die Tänzerin an, während sie sich gegenseitig jungenhaft zufrieden auf die Schulter klopften. Die Frau bemerkte, dass Richard ihr zusah, und fuhr sich mit ihrer rosafarbenen Zungenspitze über die Oberlippe. Peinlich berührt blickte er weg.
    Die beiden kurzen Begegnungen - die ernst blickende Bedienung und die Stripperin - machten ihm deutlich, worin der Unterschied zwischen ihm und den anderen bestand. Er verurteilte die Männer nicht, aber im Gegensatz zu ihnen war er unfähig, seine Zweifel beiseite zu schieben und sich ganz der Fiktion dieses Ortes zu überlassen. Er kam sich wie ein eingesperrtes Raubtier vor, gereizt und hungrig. Wie beneidete er die anderen um ihre Fähigkeit, in Phantasievorstellungen ihre Befriedigung zu finden, und wie bemitleidete er sich selbst für sein Unvermögen.
    Auf einmal wurde er sich wieder des eintönigen Geredes bewusst, das David neben ihm noch immer nicht eingestellt hatte. »Es ist ja nicht so, dass ich sie nicht lieben würde … Na ja, du weißt schon. Ich meine, ich … ich liebe sie natürlich. Das tue ich wirklich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ein Leben ohne sie wäre.«

    Wieder gab Richard zustimmende Laute von sich und musterte über den Rand seines Glases hinweg die Umgebung, ehe er einen weiteren Schluck Bier nahm. Das kalte Getränk lief seine Kehle

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